Ab Anfang der 90er Jahre stand die ehemalige Gemeindeschule Friedrichsfelde in Berlin-Karlshorst leer. Nun entsteht hier ein generationsübergreifendes und integratives Wohnprojekt. Richtfest war Ende November 2006.
„Unser Ziel ist, dass ab 2008 in der ehemaligen Schule Jung und Alt miteinander unter einem Dach leben und behinderte und pflegebedürftige Menschen Platz in dieser Gemeinschaft finden. Für einige werden noch Wohnungen gesucht“, berichtet Peter Weber, Vorstand der Mietergenossenschaft Selbstbau. Für die meisten Wohnungen habe man bereits Nutzer gefunden. Er und die Architektin Anita Engelmann sind die Initiatoren dieses Projekts. „Von der Mietergenossenschaft habe ich erfahren, dass die alte Gemeindeschule ein Nutzungskonzept sucht“, erzählt Engelmann. Sie und Weber entwickelten gemeinsam mit der gemeinnützigen Stiftung Trias die Idee, die denkmalgeschützte Schule in der Gundelfinger Straße 10/11 zu einem Mehrgenerationenhaus umzubauen.
In dem Schulgebäude entstehen 21 Wohnungen zwischen 50 und 140 Quadratmetern. 14 davon sind barrierefrei, neun von diesen wiederum behindertengerecht. „Die Genossenschaft hat sich verpflichtet, ein Drittel aller Wohnungen an ältere, behinderte oder pflegebedürftige Menschen zu vermieten“, so Weber.
Die neue Nutzungsidee für das vom Verfall bedrohte Gebäude begeisterte auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Mit einer Million Euro förderte sie die Schaffung von 19 Wohneinheiten – im Rahmen eines „Wohnungspolitischen Sonderprogramms von städtebaulicher Bedeutung“, wie es so schön heißt. Auflage: Mieter dieser Wohnungen müssen einen Wohnberechtigungsschein vorweisen. Entsprechend günstig sind also die Mieten und damit auch für größere Familien bezahlbar. Lediglich die beiden Dachgeschosswohnungen sind frei finanziert. Zwei Drittel der zukünftigen Bewohner – alte wie junge – sind schon in die Mietergenossenschaft eingetreten. Diese Hausgruppe trifft sich regelmäßig, um sich über die Gestaltung von Gebäude und Garten zu beratschlagen, die spätere Bewirtschaftung des Hauses und des Grundstücks zu organisieren und sich besser kennen zu lernen. Auch über weitere Mieter wird in der Gruppe entschieden. Peter Weber: „Partizipieren sollen die Jungen an den Erfahrungen der Alten, aber auch die Alten an den Ideen und dem Elan der Jungen.“
Bereits mit dabei ist Julia Schubert*, alleinerziehende Mutter eines fünfjährigen Sohnes. „Ich hatte schon länger die Idee, mit Leuten zusammenzuziehen, die ich kenne“, erzählt sie. „Als ich dann in der Zeitung von dem Projekt las, habe ich sofort eine E-Mail geschrieben.“ Die Besichtigung des Schulgebäudes hat ihren Entschluss gefestigt. „Mit der Idee eines Mehrgenerationenhauses hatte ich mich vorher noch nicht auseinandergesetzt.“ Dass ihr Sohn auf diese Weise den täglichen Umgang mit Älteren und mit Behinderten lernen kann, empfindet sie als Bereicherung und Chance.
Dreigenerationenfamilie
Jacqueline Kienzlen und Burkhardt Wenzel werden gleich mit drei Generationen in die Alte Schule einziehen: mit ihren neun und sechs Jahre alten Kindern und der 80-jährigen Mutter von Burkhardt Wenzel. „Die alte Dame lebt allein, sie war gleich begeistert von der Idee“, erzählt Jacqueline Kienzlen. „Eine Kleinfamilie war eh nie unser Ding, wir haben beide lange in Wohngemeinschaften gelebt.“ Später womöglich in einem Altenheim zu leben, kann sie sich überhaupt nicht vorstellen.
Spannend findet sie auch, dass in die erste Etage ein Kinderheim einziehen wird. Der Verein Kinderhaus Berlin – Mark Brandenburg e.V. richtet dort eine betreute Wohngruppe für zehn Kinder und Jugendliche ein, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihren Familien leben können.
Kristina Simons
* Name geändert
MieterMagazin 1+2/07
Nach fast 20 Jahren zieht in eine alte Karlshorster Schule wieder Leben ein
Foto: Christian Muhrbeck
Eine Schule mit Vergangenheit
Die Gemeindeschule in Karlshorst wurde um 1900 gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Sowjetische Armee sie als Schule für die Kinder der Offiziere. Die knapp vier Meter hohen Decken der alten Klassenräume sollen auch nach der Sanierung erhalten bleiben und dadurch besonders helle und großzügige Wohnungen entstehen. Balkone werden an- und ein Aufzug eingebaut. Ein Gemeinschaftshaus wird für Feiern und andere Aktivitäten zur Verfügung stehen.
ks
18.07.2013