Mieter können aufgrund verschiedener Urteile verlangen, dass der Vermieter Graffiti im Hauseingangsbereich und an der Außenfassade auf seine Kosten entfernt – das Amtsgericht Berlin-Mitte ist in einem speziellen Fall anderer Meinung.
Wer hat sich nicht schon einmal über Schmierereien im Hauseingang, im Treppenhaus oder an der Fassade geärgert? Berlin gilt bundesweit als „Graffiti-Hauptstadt“. Für 200 bis 300 Jugendliche, nach Erkenntnissen der Polizei in circa 100 festen Crews und einigen spontanen Gruppen organisiert, ist Sprayen täglich praktiziertes Steckenpferd. Hinzu kommen 2000 bis 3000 Jugendliche, die zwar weniger gezielt und spektakulär, jedoch insgesamt ebenfalls sehr sichtbar Wände, Züge, Bänke, Denkmäler etcetera bemalen oder besprühen.
Nach dem 39. Strafrechtsänderungsgesetz („Graffiti-Bekämpfungsgesetz“ sind Graffiti kein durch die Freiheit der Kunstausübung gedecktes Kavaliersdelikt, sondern, so Generalstaatsanwalt Ralf Rother, „eine Straftat von nicht zu vernachlässigender Bedeutung“. Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat mit dem „Berliner Aktionsplan Graffiti“ zwar ein „zuständigkeitsübergreifendes Präventionsmodell“ geschaffen, aber die Zahl von Graffitis, Tags und Schmierereien nimmt ständig zu.
Immer wieder gibt es Versuche, die Kosten für die Beseitigung von Graffiti auf die Mieter umzulegen. So traf das Amtsgericht Berlin-Mitte im vergangenen Jahr eine sehr vermieterfreundliche Entscheidung (Grundeigentum 2007, Seite 1221): „Sonderreinigungen von Farbschmierereien sind umlagefähig, wenn sie laufend beziehungsweise regelmäßig erforderlich sind und der Verursacher nicht feststellbar ist, ähnlich wie bei Sperrmüllkosten.“ Die Kosten der Graffiti-Beseitigung seien deshalb nicht der Instandhaltung zuzuordnen, sondern der Gebäudereinigung. „Ein sehr erfreuliches und nachvollziehbares Urteil für Berlin“, freute sich Stefan Diepenbrock, Leiter Verbandskommunikation bei „Haus und Grund“. Die zusätzlichen Kosten für die Mieter könnten zwischen 5 und 25 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche liegen, sind allerdings von Fall zu Fall sehr unterschiedlich: Wenn die Fassade mit einer Anti-Graffiti-Beschichtung versehen ist, kann die Farbe zumeist einfach entfernt werden. Der Berliner Mieterverein weist darauf hin, dass in vielen Fällen die Graffiti-Beseitigung tatsächlich regelmäßig erfolgen muss, wenn die Kosten auf die Betriebskosten umgelegt werden sollen. Eine Reinigung im Abstand von zwei Jahren könne man keinesfalls als regelmäßig ansehen.
Der beste Schutz: Graffiti verhindern
Immer wieder stellen sich Vermieter auf den Standpunkt, dass sie sich nicht gegen Schmierereien schützen können und die Nutzbarkeit der Wohnung durch sie nicht behindert oder eingeschränkt würde. Dem hat das Kammergericht (Der Miet-Rechts-Berater 2004, Seite 101) widersprochen: „Die Beseitigung von Graffiti dient der Beseitigung von Schäden am Gebäude und ist damit unter die Instandhaltungskosten zu rechnen.“
Auch das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg folgte dieser Argumentation (Grundeigentum 2007, Seite 227). Bei Graffiti handele es sich eindeutig um einen Mangel der Mietsache. Der vertragsgemäße Zustand der Mietsache umfasse auch die Grundstücks- und Gebäudeteile, die zur gemeinschaftlichen Benutzung durch die Mieter und als Zugang zur Mietsache bestimmt sind. Im Klartext: War das Haus beim Einzug des Mieters frei von Graffiti, hat der Vermieter dafür Sorge zu tragen, dass das so bleibt. Bereits 2002 hatte das Amtsgericht Berlin-Schöneberg mit Urteil 17 C 521/01 festgestellt, dass die Nettokaltmiete um zwei Prozent gemindert werden kann, wenn im Eingangsbereich, im Treppenhaus sowie im Durchgang zum Hof Graffiti vorhanden sind.
Der beste Schutz vor Graffiti ist immer noch dessen Verhinderung – durch Beschichtung der Fassade, Videoüberwachung, künstlerische Gestaltung der Erdgeschosszonen und Freiflächen für Sprayer. All diese Maßnahmen sind allerdings gleichfalls Sache des Vermieters.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 1+2/08
Graffiti-Beseitigung ist Instandsetzung – sagt das Kammergericht
Foto: Rolf Schulten
Millionenschaden
Die durch Graffiti entstandenen wirtschaftlichen Schäden in Deutschland werden auf 200 bis 500 Millionen Euro geschätzt. Auf 15 bis 20 Millionen Euro beziffert Haus und Grund, die Eigentümer- Schutzgemeinschaft der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, die jährlichen Kosten für die Beseitigung von Graffiti an Wohnhäusern in Berlin. Die S-Bahn muss jährlich sechs Millionen Euro aufwenden, die BVG knapp neun Millionen Euro. Allein das Berliner Wohnungsunternehmen Stadt und Land gab 2007 etwa 180.000 Euro für die Beseitigung von Graffiti aus.
04.01.2018