Die kürzlich von der Investitionsbank Berlin (IBB) vorgelegte Studie über den Berliner Wohnungsmarkt sei zur Bewertung der Mietersituation ungeeignet, kommentierte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Auf die schlechte Einkommenssituation vieler Berliner Haushalte gehe die Studie nicht ein.
Besonders ärgerlich seien die Äußerungen von Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer anlässlich der Veröffentlichung der Studie von Wissenschaftlern aus Bonn und Wuppertal, heißt es beim Berliner Mieterverein. Das Wohnungsangebot sei auch für Einkommensgruppen mit mittlerem und relativ geringem Einkommen zum größten Teil finanzierbar, behauptete sie. „Wir haben nichts dagegen, wenn der Berliner Senat in anderen deutschen und europäischen Städten mit den vergleichsweise niedrigen Mieten für Zuwanderer wirbt“. Allerdings: Aussagen über die tatsächliche Situation der Berliner Haushalte auf dem Wohnungsmarkt könnten aus der Studie nicht gezogen werden. Laut Wild zeigt die Studie insofern eine gravierende Schwäche, als sie für die Bewertung der Marktchancen nicht die tatsächlichen Einkommen der Haushalte in den Vergleichsstädten zugrunde gelegt hat, sondern lediglich mit Durchschnittswerten aus allen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern arbeitet. „Die Ergebnisse der Studie werden missbraucht“, meint Wild. Richtig ist, dass ein Gutverdienerhaushalt, der aus München an die Spree wechselt, ein umfangreiches Angebot vorfindet, dass preislich in weiten Teilen der Stadt erheblich unter dem Münchner Mietenniveau liegt. Zieht dagegen ein Dreipersonenhaushalt, der lediglich Arbeitslosengeld II empfängt, in die Hauptstadt, dann bleibe von den „märchenhaften Verhältnissen am Wohnungsmarkt“ nichts mehr übrig.
So lassen IBB und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weiter unberücksichtigt, dass die im Vergleich zu München, Frankfurt/Main und Hamburg niedrigere Mietbelastung unter dem Blickwinkel der Einkommen gesehen werden müsse. Am Ende stünden die Berliner Mieter doch schlechter dar, weil der für die übrige Lebenshaltung zur Verfügung stehende Geldbetrag deutlich niedriger ist als in den Vergleichsstädten. So bleiben bei einer durchschnittlichen Mietbelastung von 28 Prozent bei einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von 1800 Euro rund 1300 Euro im Monat zum Leben übrig. Beträgt das Einkommen jedoch 2800 Euro monatlich, so verbleiben immerhin schon mehr als 2000 Euro monatlich für die restlichen Ausgaben.
Die Studie vernachlässige – so der Mieterverein – zudem vollständig die unterschiedliche Entwicklung in den Quartieren. Sie falle damit qualitativ deutlich hinter die Wohnungsmarktberichterstattung der IBB zurück. „Für die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist sie nur Schönfärberei“, erklärt Wild.
MM
MieterMagazin 1+2/10
Die Berliner Mieten sind im Großstadtvergleich günstig – doch die Berliner Einkommen sind im Großstadtvergleich auch sehr viel niedriger
Foto: Paul Glaser
Bergische Universität Wuppertal
(Prof. Dr. G. Spars / P. Jacob) /
Quaestio (B. Faller, A. M. Werner):
Der Berliner Wohnungsmarkt
– ein Standortvorteil,
Bonn/Wuppertal 2009
16.12.2016