Vermieter sind nicht verpflichtet, ihren ausziehenden Mietern eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auszustellen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Damit ist auch die um sich greifende Praxis, von Mietinteressenten solche Bescheinigungen zu verlangen, höchstrichterlich in Frage gestellt.
Immer mehr Vermieter verlangen, dass Mietinteressenten eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung von ihrem bisherigen Vermieter vorlegen. Doch Mieter haben oft Schwierigkeiten, eine solche Bestätigung zu bekommen, selbst wenn keinerlei Mietschulden aufgelaufen sind. Wie der BGH jetzt urteilte, sind Vermieter auch nicht dazu verpflichtet, ihren scheidenden Mietern diese Bescheinigung auszustellen.
Im verhandelten Fall erbaten Mieter von ihrem alten Vermieter eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Der Vermieter weigerte sich aber, weil die Mieter eine Betriebskostenabrechnung angezweifelt und deshalb die strittige Nachzahlung nicht beglichen hatten. Der BGH gab dem Vermieter Recht. Ihm könne das Ausstellen einer solchen Bescheinigung „wegen einer möglichen Gefährdung eigener Rechtspositionen nicht zugemutet werden“, denn dadurch könnte er möglicherweise noch bestehende Ansprüche gegen einen Mieter verlieren. Das Gericht wollte auch nicht anerkennen, dass die Vorlage einer solchen Bescheinigung „Verkehrssitte“ sei.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) hält das Urteil für „nachvollziehbar“, so DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. „Aus meiner Sicht ist damit auch der Praxis vieler Vermieter der Boden entzogen worden, die immer öfter von ihren künftigen Mietern eine derartige Bescheinigung fordern.“ Mit der bisherigen Praxis werden besonders diejenigen Mieter bei der Wohnungssuche benachteiligt, die ihre Rechte nutzen und zum Beispiel die Miete wegen Mängeln mindern oder die Begleichung einer Betriebskostenabrechnung wegen Fehlern verweigern. Sie erhalten in der Regel keine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung und werden deshalb von vielen Wohnungsanbietern bei der Bewerbung gleich aussortiert.
Auch der Eigentümerverband „Haus & Grund“ begrüßte das Urteil des Bundesgerichtshofs und empfiehlt Vermietern, generell keine Bescheinigungen mehr auszustellen.
Jens Sethmann
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MieterMagazin 1+2/10
DMB-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten: „Mit dem BGH-Urteil wird der unbefriedigenden Praxis die Grundlage entzogen“
Foto: Christian Muhrbeck
BGH-Urteil vom 30. September 2009
(Aktenzeichen VIII ZR 238/08)
16.06.2022