Für den „Marktmonitor 2010“ des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hat das Hamburger Forschungsinstitut Gewos 560.000 Berliner Mietverträge – darunter rund 40.000 Neuverträge – der Mitgliedsunternehmen des Verbandes ausgewertet. 40 Prozent aller Berliner Mieter leben in solchen Wohnungen. Für BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern ist der Mietenanstieg in Berlin noch immer „moderat“. Die Trends hinter den Durchschnittszahlen zeigen allerdings ein differenzierteres Bild.
Langsam, aber sicher geht es an die Substanz. Die Mieten steigen inzwischen wesentlich schneller als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Eine Wohnungsnot steht in Berlin nicht irgendwann vor der Tür, sondern unmittelbar bevor. Die Bestandsmieten stiegen laut Marktmonitor im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 2 Prozent auf durchschnittlich 4,79 Euro pro Quadratmeter netto kalt. Zum Vergleich: 2005 waren es noch 4,41 Euro. Die Durchschnittsmiete bei den Wohnungen der BBU-Mitgliedsunternehmen liegt damit zwar noch knapp unterhalb des Mietspiegeldurchschnitts von 4,83 Euro. Beim Neubezug mussten Mieter 2009 allerdings im Durchschnitt 5,26 Euro zahlen, das sind fast 10 Prozent mehr als im Bestand und 9 Prozent mehr als der Mietspiegeldurchschnitt aufweist. Für einkommensschwächere Haushalte wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu finden, denn die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird größer – in einzelnen Segmenten, aber auch insgesamt.
20 Prozent der bei den BBU-Mitgliedsunternehmen nachgefragten Wohnungstypen sind kleinere Einzimmerwohnungen. Der Grund: Zum einen nimmt die Zahl der Single-Haushalte zu, zum anderen können sich immer weniger Mieter große Wohnungen leisten. Allerdings sind kleine Wohnungen auf den Quadratmeter gerechnet oft teurer als große. In Friedrichshain-Kreuzberg machen Einzimmerwohnungen sogar die Hälfte der Anfragen aus – vor allem Studenten wollen hier wohnen.
Bald 50000 Haushalte mehr in Berlin
Der Prognose zufolge wird es in Berlin 2015 rund 50.000 Haushalte mehr geben als Ende 2009, darunter überproportional viele Single-Haushalte. Die Nachfrage regelt den Preis: Bei kleinen Wohnungen stiegen die Mieten von 2007 bis 2009 um 5,3 Prozent. Der Marktmonitor macht deutlich, dass ab 2015 vor allem der Bedarf an kleinen Wohnungen kaum noch aus dem derzeitigen Bestand heraus gedeckt werden kann. Aber auch größere Wohnungen werden zur Mangelware.
Diese Entwicklung ist um so alarmierender, wenn man die Differenzierung innerhalb der Stadt betrachtet, denn erstmals weist der Marktmonitor auch die Veränderung der Bestandsmieten nach Bezirken aus. Hier liegt zwar noch immer Charlottenburg-Wilmersdorf mit 5,24 Euro pro Quadratmeter an der Spitze, gefolgt von Steglitz-Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Die höchste Steigerung verzeichnet allerdings Tempelhof-Schöneberg mit einem Plus von 3,1 Prozent, gefolgt von Pankow und Steglitz-Zehlendorf. Auch bei den Neuvertragsabschlüssen ist Charlottenburg-Wilmersdorf mit 5,98 Euro pro Quadratmeter noch am teuersten, dicht gefolgt von Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf. Aber auch andere Bezirke holen rasant auf: In Pankow beträgt der Unterschied zu den Bestandsmieten beim Neubezug bereits 20,2 Prozent! Am geringsten stiegen die Mieten beim Neubezug in Marzahn-Hellersdorf – um lediglich 1,57 Prozent.
Die Neuvertragsmieten 2009 können allerdings nicht ohne Weiteres mit denen des Vorjahres verglichen werden, da in jedem Jahr völlig andere Bestände erfasst werden und man bei einer einfachen Gegenüberstellung „Äpfel mit Birnen“ vergleichen würde, wie Christine Preuß, Autorin des Marktmonitors, betont. Auch mit den Zahlen anderer Analysen zur Mietpreisentwicklung wie dem GSW-Wohnmarktreport sind die Ergebnisse des BBU-Marktmonitors 2010 aufgrund der unterschiedlichen Datenbasis nicht vergleichbar. So errechnet der GSW-Report bei Neuvermietungsangeboten für 2009 einen Mittelwert von 5,85 Euro pro Quadratmeter, das ist eine Steigerung von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der BBU weist darauf hin, dass in allen Bezirken immer noch preiswerte Wohnungen angeboten werden – selbst in Charlottenburg gäbe es noch Wohnungen für 3,20 Euro pro Quadratmeter, und in Pankow reiche die Spanne sogar bis hinunter zu 1,83 Euro. Maren Kerns Schlussfolgerung „Wohnen in Berlin ist bezahlbar“ stimmt so jedoch nicht mehr, oder zumindest nicht mehr lange und längst nicht mehr für alle. Der Trend ist deutlich. Wohnen wird berlinweit immer teurer. Die Relationen stimmen nicht mehr: Auch wenn die Mieten derzeit noch niedriger als in München und anderswo sind – die Gehälter liegen in Berlin auch deutlich unter denen anderer deutscher Großstädte. Auch der Leerstand verliert seine mietenregulierende Funktion. Bis zum Jahr 2015 könnte sich die Zahl der leerstehenden Wohnungen bei den BBU-Mitgliedsunternehmen auf 3000 verringern – das sind weniger als ein Prozent des Bestandes. Ende 2009 waren es noch 22.000. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hält eine Fluktuationsreserve von mindestens drei bis vier Prozent für notwendig, um ein reibungsloses Funktionieren des Wohnungsmarktes zu gewährleisten.
Über den Ausweg aus der Misere gehen die Meinungen weit auseinander. Der BBU fordert von den Parteien, sich verstärkt für den Wohnungsneubau zu engagieren. Um die Mieten niedrig zu halten, wären Subventionen nötig. Geld hierfür ist jedoch nicht vorhanden.
Der Berliner Senat wiegelt ab
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer sieht den Marktmonitor gelassen: „Wissen über die Leerstandsentwicklung im Berliner Wohnungsmarkt ist wichtig, um politisch handeln zu können. Allerdings hat der BBU in seiner Wohnungsmarktprognose eine Entwicklung vorausgesagt, die für den Senat und auch andere Institutionen im Wohnungswesen nicht nachvollziehbar ist. Dass der Leerstand abnehmen wird, insbesondere im Bereich kleinerer Wohnungen, ist richtig. Eine berlinweite Not- oder Mangelsituation bis 2015 ist aber nicht zu erkennen.“ Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, plädiert für eine Begrenzung der Mieten beim Abschluss von Neuverträgen. Basis sollte auch hier der Mietspiegel sein. Das Land Berlin könnte hier mit gutem Beispiel vorangehen und die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichten. Eine praktikable Lösung – Berlin soll schließlich Mieterstadt bleiben.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 1+2/11
Vor allem die Nachfrage nach kleinen Wohnungen wird in Berlin durch den Bestand künftig nicht mehr gedeckt
Foto: Christian Muhrbeck
Steigerung der durchschnittlichen Nettokaltmiete 2009 gegenüber 2008
Quelle: BBU
Monatliche Neuvertragsmieten netto kalt im Bestand der Berliner Mitgliedsunternehmen des BBU in Euro pro Quadratmeter im Jahr 2009
Quelle: BBU
03.04.2013