Alle Jahre wieder: Auch 2012 begann für viele Stromkunden mit einer Preiserhöhung. Der Berliner Hauptversorger Vattenfall hat rund sieben Prozent draufgeschlagen – unter anderem wegen gestiegener Netznutzungsentgelte, so die Begründung.
Strom fließt: vom Kraftwerk zum Händler und von dort zum Verbraucher. Die Betreiber der Stromnetze erheben für den Transport und das Verteilen des Stroms von den Stromlieferanten – zum Beispiel Stadtwerken oder Regionalversorgern wie Vattenfall – Netznutzungsentgelte. Sie werden auf Basis der Netzkosten berechnet. In erster Linie sind das Investitionen in Bau, Instandhaltung und Betrieb des Netzes. Die Stromlieferanten geben diese Netzentgelte wiederum an die Endkunden weiter – sie machen derzeit gut 22 Prozent des Strompreises aus.
Um Missbrauch einzudämmen, müssen die Netzentgelte von der Bundesnetzagentur beziehungsweise den zuständigen Landesbehörden genehmigt werden. In den vergangenen Jahren sind sie konstant gesunken: Laut Monitoringbericht 2011 der Bundesnetzagentur mussten Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr 2006 noch 7,30 Cent pro Kilowattstunde Netzentgelt zahlen. 2011 waren es hingegen nur noch 5,75 Cent pro Kilowattstunde.
Eine Entscheidung der Politik
Dass die Netzentgelte nun steigen, hängt vor allem mit der Änderung der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV § 19) vom Juli 2011 zusammen, die Großverbraucher zu Ungunsten kleinerer und mittlerer Stromkunden entlastet. Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als zehn Millionen Kilowattstunden und mindestens 7000 Jahresnutzungsstunden können sich nun komplett von den Netznutzungsgebühren befreien lassen.
Bis Mitte Dezember hatten bereits 160 verbrauchsintensive Unternehmen diese Befreiung beantragt. Die dadurch entgangenen Entgelte werden über eine neue Netzumlage von allen anderen Verbrauchern eingefordert. Der „Bund der Energieverbraucher“ schätzt die Mehrbelastung für sie auf rund eine Milliarde Euro. Die Bundesnetzagentur geht hingegen „nur“ von 440 Millionen Euro aus und hat die neue Umlage für private und gewerbliche Stromnutzer mit einem Jahresverbrauch bis 100.000 Kilowattstunden ab 2012 auf 0,151 Cent pro Kilowattstunde festgelegt.
Der Bund der Energieverbraucher hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen die neue Netzumlage eingereicht: Die Befreiung von den Netzentgelten widerspreche dem Grundsatz der Kostenverursachung. „Es mutet wie ein schlechter Witz an, dass ausgerechnet die Firmen, die die Netze am intensivsten nutzen, dafür nun nichts mehr zahlen müssen“, so Aribert Peters, Vorsitzender des Verbrauchervereins. Es könne nicht sein, dass Haushalte und mittelständische Unternehmen die Kosten der Großindustrie für die Stromnetzbenutzung zahlen müssten, moniert Ursula Sladek, Vorstand der EWS.
Kristina Simons
Mehrkosten und Sparpotenzial
Die Deutsche Energie-Agentur Dena geht davon aus, dass die zum Jahreswechsel von vielen Stromanbietern erhöhten Tarife nur das Fanal für Preissteigerungen sind, die bis zum Jahr 2020 circa 20 Prozent ausmachen werden. Damit werden die Versorger refinanzieren, was sie aufgrund der eingeläuteten Energiewende in umweltfreundliche und effiziente Kraftwerke, Speicher und Verteilnetze investieren müssen. Gleichzeitig macht die Dena deutlich, dass dieser Stromkostenverteuerung ein Energieeinsparpotenzial von durchschnittlich 25 Prozent gegenübersteht, wenn private Verbraucher energieeffiziente Geräte einsetzen und ihr persönliches Nutzverhalten optimieren. Dazu beitragen wird möglicherweise, dass ab 1. Februar die Versorger gesetzlich gezwungen sind, auf der Strom- oder Gasabrechnung zu vermerken, wie hoch der Verbrauch im Vergleich mit anderen Haushalten ist. Die Rechnung muss übrigens auch vermerken, zu welchem Termin gekündigt werden kann, und ab 1. April darf der Versorgerwechsel nicht mehr als drei Wochen dauern.
uh
MieterMagazin 1+2/12
Ein Viertel des Strompreises zahlt der Verbraucher für das Netz
Foto: Eon
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Übertragungs- und Verteilernetz
Es gibt vier Übertragungsnetz- und derzeit 869 Verteilernetzbetreiber. Erstere sind zuständig für die überregionalen Höchstspannungsnetze, die elektrische Energie zu den nachgeordneten Verteilernetzen transportieren.
Die regional agierenden Verteilernetzbetreiber sind verantwortlich für den Betrieb der Niederspannungs- und Mittelspannungsnetze, über die der Strom dann direkt zu den Haushalts- beziehungsweise Industriekunden geliefert wird. Die Netzentgelte, die die Endverbraucher mit dem Strompreis zahlen, beziehen sich auf alle letztlich in Anspruch genommenen Netzebenen.
Wie Vattenfall verkaufen die meisten Verteilernetzbetreiber auch selbst Strom. Regelmäßig stehen sie deshalb in der Kritik, den Wettbewerb zu behindern, etwa indem sie von ihren Konkurrenten für die Stromdurchleitung überhöhte Netzentgelte verlangen und deren Stromangebot dadurch unnötig verteuern.
ks
27.11.2016