Die Armut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Noch nie gab es in Deutschland mehr Arme als heute. Besonders betroffen sind die Großstädte, hier ist die Armutsgefährdung höher, und sie steigt schneller als im Bundesgebiet insgesamt.
Nach kürzlich veröffentlichten Studien der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der Nationalen Armutskonferenz (nak), des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Deutschen Gewerkschaftsbundes lebt in den Metropolen heute bereits ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die Grenze liegt bei 60 Prozent eines mittleren Einkommens einschließlich staatlicher Transferleistungen: 848 Euro im Monat für Alleinstehende, 1272 Euro für ein Paar ohne Kind beziehungsweise 1781 Euro für Eltern mit zwei Kindern.
Die gute wirtschaftliche Konjunktur der letzten Jahre hat dazu geführt, dass viele Menschen Arbeit fanden – vor allem jedoch im Niedriglohnsektor. Berlin hat mit 20,7 Prozent trotzdem – oder gerade deshalb – die mit Abstand höchste Hartz-IV-Empfänger-Quote der deutschen Großstädte. Für den „Paritätischen Wohlfahrtsverband“ sind deshalb Berlin und das Ruhrgebiet die Problemregionen Nummer eins. Zum Vergleich: In München sind nur 6,6 Prozent der Einwohner Hartz-IV-Empfänger.
Die Armutsgefährdungsquote ist in Berlin seit 2006 kontinuierlich gestiegen – von 17 auf 21,1 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit beträgt diese Quote 15,1, im EU-Durchschnitt 16,4 Prozent. In Ländern wie Tschechien oder Island ist die Gefahr zu verarmen mittlerweile weit geringer als im „reichen“ Deutschland. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: „Was wir in Berlin und im Ruhrgebiet erleben, kommt einem Erdrutsch gleich.“
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 1+2/13
Grafik: Hans-Böckler-Stiftung
05.06.2013