Die Maaßenstraße in Schöneberg soll zur ersten Berliner „Begegnungszone“ umgestaltet werden. Es geht um mehr Sicherheit und Platz für Fußgänger und Radler – ohne den Autoverkehr verbannen zu wollen. Nicht bei allen Anwohnern stößt das auf Begeisterung.
Streng genommen handelt es sich bei dem Berliner Modell gar nicht um eine Begegnungszone. Anders als beim Schweizer Vorbild haben Fußgänger hier keinen Vortritt. Nach der deutschen Straßenverkehrsordnung wäre das nicht zulässig. Vom viel diskutierten „Shared Space“-Konzept unterscheidet sich das Berliner Vorhaben ebenfalls. Beim – wie dies übersetzt heißt – „gemeinsam genutzten Raum“ sind Fußgänger, Radler und Autofahrer gleichberechtigt, Verkehrszeichen gibt es nicht. Shared Space als regelloses System sei gescheitert, in den Großstädten funktioniere das nicht, erklärt Horst Wohlfarth von Alm, Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Man muss es regeln, weil sonst die schwächsten Verkehrsteilnehmer an den Rand gedrängt werden.“ In den Beispielstädten in Holland werde daher mit Verkehrszeichen nachgerüstet.
Die Maaßenstraße am Nollendorfplatz wurde im Rahmen der Fußverkehrsstrategie des Senats als Pilotprojekt ausgewählt. Die Bergmannstraße in Kreuzberg und der Bereich um den Checkpoint Charlie sollen folgen. „Wir wollen die Straße so umgestalten, dass die Autos automatisch langsamer fahren und die Fußgänger mehr Raum bekommen“, sagt Wohlfarth von Alm. Erreicht werden soll das unter anderem durch die Einführung von Tempo 20 sowie die Verengung der Fahrbahn auf eine Spur pro Richtung. Wie die neu gewonnenen Flächen genutzt werden, beispielsweise für Sitzgelegenheiten oder einen Boule-Platz, steht noch nicht fest. Derzeit läuft ein intensives Beteiligungsverfahren. Bei Anwohnerversammlungen und per Online-Dialog können Bürger Vorschläge machen. Erst dann wird ein Entwurf vorgelegt.
Fest steht: Einen kompletten Umbau der Straße wird es nicht geben. Die Umgestaltung soll Modellcharakter für ganz Berlin haben und daher kostengünstig sein. In Abstimmung mit Behindertenverbänden wurde zudem entschieden, dass die Bordsteinkanten bleiben sollen. Sehbehinderte brauchen sie als Orientierung.
Die Meinung der Anwohner ist geteilt. Für einige ist der Wegfall von Parkplätzen unannehmbar, andere würden den Autoverkehr am liebsten ganz raushaben. Für Irritationen sorgt auch, dass es künftig keinen Radweg mehr geben soll. Doch das ist in Tempo-20-Zonen nicht zulässig, wie Wohlfahrt von Alm erklärt. Der Umbau der Straße soll voraussichtlich im Sommer 2014 erfolgen.
Birgit Leiß
MieterMagazin 1+2/14
Tempo 20 und mehr Platz für Fußgänger: Pilotprojekt Begegnungszone
Grafik: Breimann & Bruun
09.10.2017