Wer in Lichtenberg, Marzahn oder Köpenick ab Anfang dieses Jahres Altglas entsorgen will, muss Flaschen und Gläser bedeutend weiter tragen. Denn die Container dafür sind aus den Wohnhöfen der drei Ostbezirke verschwunden. Mit Hausmüll in den Tonnen und falscher Sortierung begründen die Initiatoren diesen „Abbau Ost“. Wohl eher, um Kosten zu sparen, erwidern die Kritiker. Zu denen zählt auch der Berliner Mieterverein.
An den Haaren herbeigezogen findet Henry Baumfelder aus Treptow die Argumente, mit denen in seinem Bezirk bereits Ende vergangenen Jahres die Altglascontainer abgezogen wurden: Falsche Sortierung und Müll in den Behältnissen für unterschiedlich farbiges Altglas. „Ich kann das aus meinem Wohnumfeld nicht bestätigen.“ Der BMV-Bezirksleiter in Treptow-Köpenick findet es auch ziemlich ärgerlich, dass erst nach Beschwerden vieler Mieter Aushänge in den Häusern angebracht wurden, die über den Wegfall der Container informierten.
Beschlossen vom Dualen System Deutschland (DSD), Betreiber des deutschen Mülltrennsystems, und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, werden 7700 von bisher 14.000 Altglasbehältern von Höfen, Müllplätzen und -räumen verschwinden. Betroffen sind ausschließlich die drei Ostbezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick. Vorerst. Denn der Abzug der Altglascontainer soll hier „Modellprojekt“ sein und erst einmal bis 2015 laufen. Wird es als erfolgreich angesehen, könnten sich bald für alle Berliner weitere Wege ergeben, wollen sie ihre leeren Gläser und Flaschen entsorgen.
Das sei eine Maßnahme auch über die Köpfe der Vermieter hinweg, kritisierte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und protestierte zusammen mit den Fraktionen aller politischen Parteien, Bezirksbürgermeistern und Umweltverbänden gegen die Nacht-und-Nebelaktion in einer Anhörung im Umweltausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 15. Januar.
Dazu eingeladen worden waren auch Experten aus Entsorgungswirtschaft und Glasindustrie. Die erläuterten, dass es mit dem Berliner Abfallglas tatsächlich ein Problem gebe: Zum einen enthielte es zu viele Fremdstoffe, etwa Keramikteile, die schlecht oder gar nicht zu entfernen seien und das Einschmelzen in der Glashütte erschwerten. Zum anderen würde oft nicht genau nach Farben getrennt. Ein anwesender Gutachter wies jedoch vor allem auf ein anderes Problem hin, für das die Bürger keinerlei Schuld trifft: Beim Umladen würden die Flaschen in den Müllwagen gepresst und so in viel zu kleine Scherben zerlegt. Die Industrie brauche aber möglichst große Bruchstücke, um sortieren zu können. Damit wäre dann auch wenig gewonnen, wenn aus dem bisherigen „Hol-System“ ein „Bringe-System“ würde.
„Der Abzug der Altglascontainer richtet sich klar gegen das duale System“, so erklärt Henry Baumfelder. Zu befürchten sei nun, dass wieder viel recyclebares Glas im Restmüll landen oder einfach auf der Müllstandsfläche abgeladen werden wird.
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 1+2/14
Pilotprojekt der weiten Wege: Viele Ostberliner Mieter müssen Altglas künftig in öffentlichen Containern entsorgen
Foto: Sabine Münch
09.05.2017