Berlin braucht dringend mehr Wohnungen. Wegen des anhaltenden Bevölkerungswachstums müssen in nächster Zeit Jahr für Jahr 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. Private Bauträger bauen fast ausschließlich im oberen Preissegment, meist Eigentumswohnungen. Die Aufgabe, für untere und mittlere Einkommensgruppen Wohnungen zu errichten, kommt vor allem den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu. Die nehmen diese Herausforderung an, allerdings sind die Mieten in ihren Neubauprojekten nicht immer so günstig, wie sie sein könnten.
Im März 2013 hat der damalige Bausenator Michael Müller in der Waldsassener Straße in Marienfelde den ersten Spatenstich für einen Neubau der Degewo ausgeführt. Es war der erste Wohnungsneubau einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft seit über zehn Jahren. Seither reihen sich feierliche Spatenstiche, Baggerbisse, Grundsteinlegungen und Richtfeste aneinander. Die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften bauen zurzeit an rund 20 Neubaustellen. Der Neubau in der Waldsassener Straße ist bereits bezogen.
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden nach eigenen Angaben bis zum Herbst 2016 mit dem Bau von 7000 Wohnungen begonnen haben. Das Investitionsvolumen beträgt den Unternehmen zufolge insgesamt rund eine Milliarde Euro. Für die Zeit nach 2016 planen die Wohnungsbaugesellschaften weitere 8000 Wohneinheiten.
Die kommunalen Unternehmen stehen in einer besonderen Verantwortung, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Wer, wenn nicht sie, soll bezahlbare Wohnungen bauen? Im Neubaubündnis des Senats haben sie zusammen mit den übrigen im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) organisierten Eigentümern zugesagt: „Bei größeren und großen Bauprojekten im Mietwohnungsneubau soll – soweit objektwirtschaftliche, technische und unternehmensspezifische Bedingungen dies zulassen – der jeweilige Anteil preiswerter Mietwohnungen unterhalb von 7,50 Euro pro Quadratmeter netto kalt bei 10 bis 33 Prozent liegen“ – eine Selbstverpflichtung mit großen Schlupflöchern: Tatsächlich gibt es bei mehreren Bauvorhaben überhaupt keine Mieten unter 7,50 Euro.
Unternehmensinterne Quersubventionierung
Die im Frühling 2014 neu aufgelegte Wohnungsbauförderung kommt noch nicht recht zum Tragen. Mit einem 64-Millionen-Euro-Fonds sollen jährlich rund 1000 preisgünstige Wohnungen geschaffen werden. Die meisten der aktuellen Neubauprojekte werden allerdings noch ohne Fördermittel realisiert. Für alle ihre künftigen Bauvorhaben wollen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Förderung in Anspruch nehmen.
Die einzelnen Neubauten weisen immer eine Mietenspreizung auf. Die Wohnungsbaugesellschaften betreiben eine interne Quersubventionierung: Um einen Teil der Wohnungen zu 7,50 Euro oder günstiger anbieten zu können, werden die attraktiveren Räume teurer vermietet. Die Dachgeschosse oder Townhouses im ruhigen Blockinnenbereich kosten dann auch schon mal 12 oder gar 13 Euro – Preise, die man von öffentlichen Wohnungsunternehmen nicht unbedingt erwartet.
Im Durchschnitt liegen die Neubaumieten zwischen 8,50 Euro und 10 Euro pro Quadratmeter. Baufachleute schätzen allgemein, dass man für neue Wohnungen eine Miete von 8,50 Euro verlangen muss, damit sich der Bau rechnet. Durch Verzicht auf eine Tiefgarage oder Aufzüge ließe sich diese „notwendige Miete“ senken. Doch die Wohnungsunternehmen machen ungern Abstriche bei der Ausstattung, um die Kosten zu senken. Im Gegenteil: Die Degewo stattet zum Beispiel alle Neubauwohnungen in der Friedrichshagener Karl-Frank-Straße mit Echtholzparkett und Fußbodenheizung aus. Kostenbewusstsein sieht anders aus.
Die Differenzierung der Mieten innerhalb der Gebäude hat auch den Zweck, eine sozial durchmischte Bewohnerschaft zu bekommen. Einheitliche Mieten hat nur das einzige komplett geförderte Objekt der Degewo in der Ewaldstraße in Altglienicke. Bei seiner unattraktiven Lage weit am Stadtrand und direkt am Autobahnzubringer wäre der Versuch, einige Wohnungen für mehr als 10 Euro zu vermieten, wohl aussichtslos.
Hauptsächlich Randlage
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist besonders in der inneren Stadt groß. Mit dem Neubau ist dieses Problem offensichtlich nicht zu lösen. Das aktuelle Baugeschehen der Städtischen ist weit weg von den zentrumnahen Bezirken und zeigt ein auffälliges Übergewicht im Südosten der Stadt. Von den 18 Baustellen mit knapp 1700 Wohnungen liegen acht allein im Bezirk Treptow-Köpenick. Dazu kommt in Karlshorst das größte kommunale Bauvorhaben, die „Treskowhöfe“ der Howoge. Innerhalb des Innenstadtrings liegen nur zwei Friedrichshainer Projekte der Wohnungsbaugesellschaft WBM. Dazu kommen noch 67 Wohnungen, die die WBM in Mitte durch Dachgeschossaus- und -aufbauten sowie durch Umnutzung von Gewerberäumen geschaffen hat. In einem Abstand von drei Kilometern um den S-Bahn-Ring liegen noch fünf Projekte. Die übrigen elf Bauvorhaben mit über 1000 Wohneinheiten sind beim besten Willen nicht mehr innenstadtnah zu nennen und befinden sich zum Teil sogar in ausgesprochener Randlage. Aber immerhin sind alle neuen Wohnungen halbwegs an ihr städtisches Umfeld und ans Nahverkehrsnetz angeschlossen. Einen Wohnungsbau auf der grünen Wiese ohne Anbindung an den Rest der Stadt gibt es nicht.
Zur Bebauung wurden den sechs städtischen Gesellschaften im September 2014 insgesamt 27 landeseigene Grundstücke kostenlos übertragen. Verbunden ist damit die Auflage, rund 20 Prozent der zu errichtenden Wohnungen zu 6,50 Euro pro Quadratmeter zu vermieten. Im Jahr 2013 waren es zehn Grundstücke. Angesichts der Vielzahl an Liegenschaften, die das Land Berlin besitzt, ist das eine eher symbolische Größenordnung. Mit einer etwas beherzteren Baulandbereitstellung könnte der Senat den kommunalen Wohnungsbau deutlich stärken.
Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist durchaus noch Luft für kostengünstigeres Bauen – und damit auch für preiswertere Mieten.
Jens Sethmann
Zwei weitere Beiträge zum „Neubau in Berlin“ werden sich in den nächsten Ausgaben des MieterMagazin mit den Aktivitäten von privaten und genossenschaftlichen Bauherren beschäftigen.
27.11.2016