Ein Schweizer Unternehmen hat eine kombinierte Solar-Wind-Kraftanlage entwickelt, die auf den Dächern von Hochhäusern installiert werden kann. Die Vorteile: Sie arbeitet nahezu geräuschlos, beeinträchtigt nicht das Stadtbild und ist für Tiere ungefährlich. Im November vergangenen Jahres hat das Berliner Wohnungsunternehmen Gewobag auf einem Hochhaus am Blasewitzer Ring in Spandau zehn sogenannte Windrail-Module installiert.
Das Windrail-Prinzip kombiniert drei Arten der alternativen Stromerzeugung: Erstens wird der natürliche Wind, der die Dachkante überströmt, genutzt. Zweitens verwertet die Anlage die Druckunterschiede an der Kante von Flachdächern. Und drittens wird die Sonnenenergie, die auf die Installation trifft, in Strom verwandelt. Ein Windkanal mit jeweils zwei Windturbinen verstärkt und nutzt die Druckunterschiede am Gebäude: Die Luft strömt durch einen zweieinhalb Meter langen sogenannten Venturi-Kanal. Durch den Druckunterschied vor und hinter dem Kanal wird die natürliche Windgeschwindigkeit erhöht. Dadurch steht mehr Windleistung bei gleicher Fläche zur Verfügung. Der Wind kühlt zugleich die über den Windrails angebrachten Solarpaneele.
Eine Marktstudie der Universität St. Gallen ergab, dass in der Schweiz etwa auf jedem hundertsten Gebäude Windrails installiert werden könnten. In Deutschland, wo es mehr Wind, aber zum Teil weniger Sonneneinstrahlung gibt, ist das Potenzial noch größer. Je nach Standort kann ein Windrail-System auf dem Dach 15 bis 70 Prozent des Strombedarfs eines Hauses decken. „Während klassische Windräder in Großstädten allenfalls an der Peripherie begrenzte Plätze finden, ist das Potenzial für diese Kombi-Technik immens“, so Andreas Irmer, Geschäftsführer der Berliner Stadtwerke. Auf einem zwölfgeschossigen Hochhaus am Blasewitzer Ring in Spandau haben die Gewobag und die Berliner Stadtwerke im November 2016 mit der Züricher Anerdgy AG als Pilotprojekt zehn Windrails sowie 332 Fotovoltaikmodule in Betrieb genommen, die rund 94.500 Kilowattstunden Ökostrom pro Jahr erzeugen und damit rund 45.000 Kilogramm CO2 pro Jahr vermeiden.
Der vor Ort erzeugte kostengünstige Ökostrom kann von den Mietern über die Stadtwerke bezogen werden. Die Konditionen: Arbeitspreis (netto) 20,67 Cent/Kilowattstunde, Grundpreis (netto) 6,68 Cent/Kilowattstunde. Insgesamt nutzen bereits über 600 Haushalte das Quartier-Strom-Angebot der Gewobag.
Im Quartier Blasewitzer Ring hat die Vermarktung erst begonnen. Im Gebäude selbst wird der Strom auch für Licht, Fahrstühle und Lüftung genutzt und trägt so zur Senkung der Betriebskosten bei. Genaue Angaben zur Betriebskosteneinsparung sind laut Gewobag-Sprecherin Josiette Honnef zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. „In jedem Fall werden die Betriebskosten für Hausstrom und Hausbeleuchtung unter den derzeitigen liegen. Darüber hinaus ist der Preis des auf den Häusern produzierten und selbst genutzten Stromes langfristig konstant.“
Rainer Bratfisch
30.01.2017