Verkauf an finanzkräftige Investoren oder an ein alternatives Wohnprojekt? Die Erbinnen eines attraktiven Schöneberger Mietshauses entschieden sich für das Wohnprojekt. Und halfen damit, „ihr“ Haus dem spekulativen Wohnungsmarkt zu entziehen.
Die weiße Gründerzeitvilla in der Kurmärkischen Straße 13, Baujahr 1875, ist ungewöhnlich – für jene, die darin wohnen werden, aber auch für den gesamten Kiez im Norden Schönebergs: ein denkmalgeschütztes vierstöckiges Bürgerhaus, in der Nachbarschaft von Luxusapartments, Startups, Unternehmen wie Zalando, aber auch dem Straßenstrich an der Kurfürstenstraße um die Ecke. Durch entschlossenes gemeinschaftliches Handeln konnte es spekulativen Begehrlichkeiten entzogen werden.
Der Erfolg – darin sind sich alle im Haus einig – ist erst einmal einer verantwortungsvollen Entscheidung der einstigen Eigentümerinnen zu verdanken. Sie entschlossen sich, nicht an private Investoren, sondern an engagierte Bewohner, deren Nachbarn und Freunde zu verkaufen – eine kleine Gruppe, die sich rasch zusammenfand, als im Februar vorigen Jahres die Nachricht vom bevorstehenden Verkauf des teilweise leer stehenden Eckhauses die Runde machte.
Gemeinsam suchten sie nach Möglichkeiten: Wie könnte es ohne Eigenkapital gelingen, ein ernsthafter Verhandlungspartner zu sein und schließlich ein solventer Vertragspartner zu werden? Vier Millionen Euro würde der Hauskauf kosten; 1,7 Millionen müssten danach für eine Sanierung aufgebracht werden. Die Gruppe gründete den Hausverein „Kumi 13“, dachte über eine Erbbaupacht nach, holte die Stiftung Edith Maryon mit ins Boot – und wandte sich schließlich an das Mietshäuser Syndikat, eine nicht-kommerzielle Beteiligungsgesellschaft, die selbstorganisierte Hausprojekte unterstützt und berät.
Nach nur einem halben Jahr hatte der kleine Verein den erforderlichen Eigenanteil für einen Bankkredit zusammen – mit Hilfe eingeworbener Direktkredite und einem Darlehen der Stiftung Edith Maryon. Der Vertrag über den Immobilienkauf wurde unterzeichnet und das Haus wurde in den Verbund des Mietshäuser Syndikats aufgenommen.
Nun gilt es, die geräumige Villa mit Leben zu erfüllen. Dabei sollen nicht nur über 1800 Quadratmeter Wohnfläche für alternative Familienstrukturen und solidarische Lebensmodelle hergerichtet werden. Der Verein will sich dem Kiez öffnen, einem Nachbarschaftszentrum für drei Jahre Unterkunft geben und während der Sanierungsarbeiten viele Künstler aufnehmen, die hier vorübergehend Räume als Ateliers nutzen können. Ein Konzept, das neugierig macht: Der Andrang auf den „Kiezpalast“ zum Tag der offenen Tür im Dezember letzten Jahres war jedenfalls erfolgversprechend groß.
Rosemarie Mieder
02.02.2020