Menschen im höheren Lebensalter, mit Behinderung und Geflüchtete stehen bei der Wohnungssuche vor besonders gravierenden Problemen. Der 10. Sozialgipfel, veranstaltet von Gewerkschaften und Sozialverbänden und dem Berliner Mieterverein, hatte deshalb sein Motto „Wohnen für alle“ mit einem Ausrufe- und einem Fragezeichen versehen. Bei Neubauten soll inzwischen jede zweite Wohnung barrierefrei sein. Gleichwohl reicht das Angebot bei Weitem nicht aus.
Auch wenn Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH, nicht von einer Wohnungsnot, sondern bestenfalls von einer Wohnungsknappheit sprechen wollte – die zum Teil sehr emotional geführte Diskussion beim Jubiläums-Sozialgipfel im Haus der IG Metall zeigte, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um das in der Berliner Landesverfassung garantierte Recht auf angemessenen Wohnraum in die Praxis umzusetzen. Schließlich leben allein 631.000 Menschen mit Behinderung in der Stadt. Und ihr Anteil wächst.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher musste zugeben, dass bei der angespannten Wohnungsmarktsituation häufig Angebot und Bedarf nicht zusammenkommen. So ist zwar die Zahl der vorhandenen Wohnungen für gesellschaftlich benachteiligte Gruppen bekannt, nicht jedoch der tatsächliche Bedarf, denn es gibt keine entsprechenden statistischen Erhebungen. Christine Braunert-Rümenapf, Landesbeauftrag-te für Menschen mit Behinderung, schätzt, dass zurzeit in Berlin allein 41.000 barrierefreie Wohnungen fehlen.
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, forderte, dass insbesondere private Wohnungseigentümer mehr behindertengerechte Wohnungen bereitstellen. Dringend muss eine zentrale Datenbank für rollstuhlgerechte, barrierearme und barrierefreie Wohnungen aufgebaut werden. Um der Diskriminierung von Geflüchteten einen Riegel vorzuschieben, sollten Bewerbungen für Wohnungen anonymisiert erfolgen.
Weitere Forderungen des Sozialgipfels: effektive Kontrolle der Belegungsbindung, Mieterschutz beim Rückbau barrierefreier Wohnungen und vor allem der Erhalt und die Erweiterung des Bestandes an Sozialwohnungen. Die Schwachen der Gesellschaft brauchen eine starke Lobby.
Rainer Bratfisch
02.02.2020