Am Gleisdreieck-Park sollen sieben bis zu 90 Meter hohe Bürogebäude entstehen. Das Projekt „Urbane Mitte“ ist seit Langem geplant, fällt aber angesichts von Klimakrise und Wohnungsnot völlig aus der Zeit.
Im Zuge der Potsdamer-Platz-Bebauung wurde im Jahr 2005 mit der damaligen Eigentümerin, der Bahn-Tochter Vivico, ein städtebaulicher Vertrag geschlossen, der es erlaubt, einen Streifen zwischen dem U-Bahnhof Gleisdreieck und dem heutigen Gleisdreieck-Park mit Büro- und Gewerbegebäuden zu bebauen.
„Die Urbane Mitte ist ein Projekt von vorgestern“, protestiert die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck. Es gehe „vollkommen an den aktuellen klima- und stadtpolitischen Erfordernissen vorbei“, so die Initiative. „Für die Betonbauten würden Zigtausende von Tonnen CO2 freigesetzt werden, die Bodenversiegelung und Glasfassaden würden zur Verschärfung der Klimakrise führen, es wird keine einzige Wohnung geschaffen, und die Aufenthaltsqualität im Park massiv eingeschränkt.“
Baurecht gibt es noch nicht. Im Koalitionsvertrag des rot-grün-roten Senats heißt es: „Es wird geprüft, ob und inwieweit der städtebauliche Vertrag zur Urbanen Mitte den aktuellen klimapolitischen Aufgaben und den Bedürfnissen vor Ort noch gerecht wird und eine Anpassung von Art und Maß der Bebauung möglich ist.“
Ein Abteilungsleiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat diese Prüfung durchgeführt. Sie fällt ganz im Sinne der Investoren aus: Das Konzept der Urbanen Mitte sei bedarfsgerecht und es bestehe kein Erfordernis, die Pläne zu ändern. Senator Andreas Geisel (SPD) erklärt: „Durch die benachbarte Bahnlinie ist das Grundstück so verlärmt, das es weder als Wohnort noch als Teil einer Grünfläche für Menschen Aufenthaltsqualität bietet.“ Er äußert den Verdacht, dass Gegner des Projekts den Klimaschutz vorschieben. „Das ist scheinheilig“, so Geisel.
Im Laufe der Jahre wurde mit dem Grundstück kräftig spekuliert. Erstmals wurde es im Jahr 2014 von der Vivico für 7,8 Millionen Euro verkauft. Zuletzt wurde es im Rahmen eines Share Deals, mit dem die Grunderwerbsteuer umgangen wird, an eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg übertragen. In Erwartung des Baurechts beziffert die Eigentümerin nun den Marktwert mal auf 162 Millionen, mal auf 204 Millionen Euro.
Sollte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg das Baurecht nicht erteilen, verlangt die Eigentümerin eine Entschädigung in Höhe von rund 150 Millionen Euro. Die Bezirksverordneten verlangen hingegen vom Senat eine „umfangreiche, transparente und belastbare Prüfung mittels Gutachten von Expert:innen“.
Jens Sethmann
Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck:
www.gleisdreieck-retten.de
05.10.2023