Mit einer Mieterhöhung der kuriosen Art hatte man es kürzlich beim Berliner Mieterverein (BMV) zu tun. Die Wohnungseigentümerin hatte sich einfach im Internet einen „Mietspiegel“ mit extrem hohen Preisen herausgesucht.
Erst im vorletzten Jahr ist die Wohnung in der Düsseldorfer Straße an eine chinesische Käuferin gegangen. Deren erstes Ansinnen: Die Mieterin solle ihr das Eigentümer-Wohngeld zahlen – was nicht zulässig ist. Im August letzten Jahres verlangte sie dann eine Mieterhöhung und begründete sie mit einem „Mietspiegel“ des Immobilienportals „Wohnungsboerse.net“. Demnach beträgt die durchschnittliche Miete in Berlin 23,53 Euro netto pro Quadratmeter.
Wenn man in die Suchmaschine das Stichwort „Mietspiegel“ eingibt, landet man sehr schnell bei diesem sogenannten Mietspiegel. Zwar wird darauf hingewiesen, dass er nicht „von einer Gemeinde oder von einem Interessenverband erstellt oder anerkannt ist.“ Doch welche Folgen das hat, nämlich dass die Werte überhaupt nicht relevant sind für ein Mieterhöhungsverlangen, wird nicht erwähnt. Auch gibt es keinen Link zum offiziellen Mietspiegel des Senats.
Was bezweckt Wohnungsboerse.net mit der Veröffentlichung – außer Verwirrung zu stiften? Ein Sprecher verweist auf Nachfrage lediglich auf den expliziten Hinweis, dass es sich nicht um einen offiziell anerkannten Mietspiegel handelt. Doch wie kommen solch abenteuerlich hohen Werte überhaupt zustande? Sie würden auf einer Auswertung der auf Wohnungsboerse.net gelisteten Mietwohnungen basieren, sagt Lennart Dannenberg, Sprecher von ImmoScout24, der das Portal 2021 übernommen hat. In der Tat finden sich hier seitenweise Mondpreise, etwa ein 11 Quadratmeter großes Zimmer in Weißensee für 1195 Euro kalt. Klickt man beim Inserat auf „mit Mietspiegel Berlin vergleichen“ gelangt man wieder nur auf den hauseigenen „Mietspiegel“, wonach beispielsweise eine Wohnung in Oberschöneweide durchschnittlich 33,90 Euro pro Quadratmeter kostet.
Ob sich die chinesische Erwerberin aus Ahnungslosigkeit oder – wie die Mieterin vermutet – aus einer Mischung von Unwissenheit und Gier auf dieses dubiose Zahlenwerk gestützt hat, kann dahingestellt bleiben. BMV-Rechtsberaterin Aliki Bürger wies die Mieterhöhung jedenfalls zurück: „Ich erlebe das häufiger, dass sich Leute aus dem Ausland eine Wohnung kaufen und dann überhaupt keine Ahnung vom Mietrecht hierzulande haben beziehungsweise es nicht zur Kenntnis nehmen wollen“, sagt die Juristin. Das Beauftragen einer professionellen Hausverwaltung müsse gesetzlich vorgeschrieben werden.
Birgit Leiß
27.01.2023