Die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften können sich wieder fast wie private Unternehmen verhalten. Die meisten sozialen Vermietungsregelungen sind gestrichen worden. Das besagt die neue Kooperationsvereinbarung, die der Senat mit den Wohnungsunternehmen ausgehandelt hat. Die Mieterräte wurden dabei nicht miteinbezogen.
Mit der seit Jahresbeginn 2024 geltenden neuen Kooperationsvereinbarung (KoopV) wurden die meisten mieterschützenden Vorgaben über Bord geworfen. Die erstmalig 2017 geschlossene Vereinbarung mit dem Titel „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“ hatte bisher unter anderem vorgeschrieben, dass die Bestandsmieten in der Summe um höchstens zwei Prozent angehoben werden dürfen, und 60 Prozent der freiwerdenden Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu vermieten sind.
Davon bleibt nun nicht viel übrig. Zwar müssen die Unternehmen weiterhin 63 Prozent der freiwerdenden Wohnungen an Menschen mit WBS vermieten, doch die Hälfte davon geht künftig an Haushalte mit mittleren Gehältern, für die die WBS-Einkommensgrenzen extra erhöht wurden.
Weniger Neubau für Geringverdiener
Auch im Neubau wird der Anteil der Wohnungen für die Haushalte mit den geringsten Einkommen von 50 auf 30 Prozent reduziert. Für den frei zu vergebenen Neubau-Anteil dürfen künftig nicht nur 11, sondern 14 Euro pro Quadratmeter gefordert werden.
Gekippt wurde auch der „Mietendimmer“, der in der Folge des Berliner Mietendeckels die Mieterhöhungen im Landesbestand auf jährlich ein Prozent begrenzt und bei Wiedervermietungen die Miethöhe auf zehn Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete limitiert hat. Der besondere Kündigungsschutz bei Energieschulden ist ebenfalls Geschichte.
Die Unternehmen kalkulieren durch die aufgeweichten Vorgaben schon Mehreinnahmen in Höhe von knapp 35 Millionen Euro pro Jahr ein. Gesobau, WBM und Stadt und Land rechnen mit einem Plus von je 4,5 bis 5,5 Millionen Euro, die Degewo erwartet fast 8,5 Millionen Euro mehr, die Howoge sogar 10,9 Millionen. Die Gewobag macht dazu keine Angaben.
„Die Folgen der Abschaffung sozialer Schutzregeln sind bereits jetzt in unseren Beratungen spürbar“, berichtet Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins (BMV). „Schon Ende letzten Jahres haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen Mieterhöhungsschreiben versendet, die sich auf die neue Regelung berufen und meist eine Erhöhung von 11 Prozent in drei Jahren verlangen.“ Dem BMV ist sogar ein Fall mit einer 40-prozentigen Mietsteigerung bekannt geworden.
Die Senatsverwaltung hält dem das „Leistbarkeitsversprechen“ entgegen: Kein Haushalt soll mehr als 27 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgeben müssen. Das bezieht sich aber auf die Nettokaltmiete. Berücksichtigt man Betriebs- und Heizkosten, wird den Menschen oftmals eine Wohnkostenbelastung von 40 Prozent zugemutet.
Mietermitbestimmung scheint dem neuen Senat ebenfalls lästig zu sein. Die Mieterräte der sechs Unternehmen wurden bei der Ausarbeitung der neuen KoopV gar nicht erst gefragt. „Wir kritisieren die undemokratische Vorgehensweise, die Mieterräte als Vertretung der etwa eine Million Mieterinnen und Mieter von dieser folgenreichen Diskussion gänzlich auszuschließen“, schreiben fünf der sechs Mieterräte in einem offenen Brief.
Jens Sethmann
Viel Lob für die alte Vereinbarung
In seinem Bericht über die Umsetzung der alten KoopV im Jahr 2022 zieht der Senat eine sehr positive Bilanz: Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben „auch unter erschwerten Bedingungen den sozialen Auftrag erfüllt“, lobt Bausenator Christian Gaebler (SPD). Im Jahr 2022 haben sie mit 5969 neuen Wohnungen deutlich mehr gebaut als im Vorjahr. Davon sind 2831 Sozialwohnungen. Insgesamt gehören den sechs Unternehmen damit 356.790 Wohnungen. Die Bestandsmiete lag im Durchschnitt bei 6,39 Euro pro Quadratmeter und damit unter der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete lag mit 7,44 Euro pro Quadratmeter deutlich unter den Angebotsmieten auf dem freien Markt. Und die Aussichten jetzt? Mit der ausgehöhlten seit Jahresbeginn geltenden KoopV werden solche Erfolge nicht mehr zu erzielen sein.
js
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/wohnungsbaugesellschaften/de/kooperationsvereinbarung.shtml
01.02.2024