Bei gravierenden Wohnungsmängeln können Mieter die bezirkliche Bau- und Wohnungsaufsicht einschalten. Dass dies nur in den seltensten Fällen etwas bringt, ist beim Berliner Mieterverein seit langem bekannt. Statt die Mieter bei ihrem Recht auf eine mängelfreie Wohnung zu unterstützen, werden sie oft schmählich im Stich gelassen, wie ein Fall aus Friedrichshain zeigt.
Als Anja Rosenbaum im Mai 2003 in die Glatzerstraße 6 zog, war ihr die Wohnung als komplett saniert angepriesen worden. Doch schon zwei Wochen nach dem Einzug musste sie die Feuerwehr rufen, weil sich der Regen durch die Fenster in die beiden Zimmer ergoss. Das ist heute immer noch so. „Bei jedem Regen läuft das Wasser in die Wohnung“, berichtet die Mieterin. Ursache ist offenbar die Regenrinne, außerdem sind die alten Doppelkastenfenster morsch. Die Folge der Dauerfeuchtigkeit: Die Wand unter den Fenstern ist schwarz, Tapete und Putz beginnen sich zu lösen. Im Schlafzimmer ist zudem eine Diele schwarz. „Ich bin sicher, dass darunter Schwarzschimmel ist, ich ruiniere mir in dieser Wohnung meine Gesundheit“, sagt sie. Anja Rosenbaum ist nicht die Einzige im Haus, die betroffen ist. „Wenn meine Nachbarin eine Zeitung auf den Boden legt, ist die in fünf Minuten nass“, erzählt sie. Auch ihre Vormieterin sei deswegen ausgezogen.
Als sich die Hausverwaltung trotz Mängelanzeigen nicht rührte, minderte die Mieterin schließlich nach Absprache mit ihrem Anwalt die Miete um 50 Prozent. Die Reaktion ihres Vermieters: eine Klage. Im Oktober letzten Jahres wusste sich die junge Frau nicht mehr anders zu helfen und schaltete die Wohnungsaufsicht ein. Bei der Begehung, so die Mieterin, habe der Mitarbeiter der Behörde von Schimmel gesprochen: „Er hat gesagt, da müssten die ganzen Dielen rausgerissen und untersucht werden.“ Um so größer war das Erstaunen der Mieterin, als kurze Zeit später vor Gericht der Bericht der Wohnungsaufsicht als Beweismittel herangezogen wurde: in den Unterlagen kein Wort von Schimmelbefall. Es war lediglich die Rede von maroden Fensterschenkeln. Die Richterin entschied, dass 50 Prozent Mietminderung zu hoch angesetzt seien und verurteilte die Mieterin auf 1590 Euro Nachzahlung. „Das Gericht hat sich voll und ganz auf die Unterlagen der Bauaufsicht verlassen“, so die empörte Mieterin.
Wie es zu der Diskrepanz gekommen ist zwischen dem Bericht und dem, was Anja Rosenbaum bei der Begehung gehört hat, kann man bei der Bau- und Wohnungsaufsicht von Friedrichshain-Kreuzberg nicht erklären. „Hier steht Aussage gegen Aussage“, so deren Leiterin Sibylle Wolter. Den Vorwurf der Mieterin, dass sie deswegen einen Prozess verloren hat, will sie nicht gelten lassen: „Unser Auftrag ist es, für gesunde Wohnverhältnisse zu sorgen, privatrechtliche Streitigkeiten sind nicht unsere Sache.“
Weil Anja Rosenbaum weiter Druck machte, fand ein zweiter Termin mit einem anderen Mitarbeiter der Wohnungsaufsicht statt. Der befand nach einem Fünfminuten-Schnelltest: Der Bereich unter dem Fenster muss auf jeden Fall erneuert werden, die Diele im Schlafzimmer sei aber nicht feucht. Die Schwarzfärbung könne auch andere Ursachen haben.
Die neue Hausverwaltung hat mittlerweile angekündigt, neue Fenster einbauen zu lassen. „Solange der Schimmel nicht beseitigt wird, nutzt das wenig“, meint dazu die Mieterin. Gegenüber dem MieterMagazin wollte die Jörg-Schröder-Hausverwaltung keine Stellung nehmen.
Anja Rosenbaum hat nun ein privates Gutachten in Auftrag gegeben. Das kostet sie zwar 600 Euro, aber im Nachhinein bereut sie, nicht gleich einen richtigen Sachverständigen zu Rate gezogen zu haben. Sie ist sich sicher: „Hätte ich mich nicht auf die Bauaufsicht verlassen, hätte ich den Prozess nicht verloren.“
Birgit Leiß
MieterMagazin 3/05
Dauerfeuchtigkeit: Schaden am Putz und Tapete in Anja Rosenbaums Wohnung
Foto: privat
11.06.2018