Die städtischen Wohnungsbauunternehmen missachten bei der Privatisierung von Wohnanlagen die Richtlinien des Senats. Der Berliner Mieterverein (BMV) wirft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung deshalb vor, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht ausreichend zu kontrollieren.
„Bei Verkäufen von städtischen Wohnungen wird der besondere Kündigungsschutz der Mieter oftmals nicht ausreichend abgesichert“, sagt Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BMV. Dabei habe der Senat beim Verkauf städtischer Wohnungen den „unbefristeten Schutz vor Eigenbedarfskündigung und Kündigung wegen Hinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung“ im Jahr 2000 ausdrücklich in seinen „Grundsätzen der Wohnraumprivatisierung in Berlin“ festgeschrieben – in einem so genannten Achtpunkteprogramm. „Diese Grundsätze scheinen für den Senat inzwischen nicht mehr wert zu sein als das Papier, auf dem sie gedruckt sind“, so Wild.
Bei den vom BMV kritisierten Fällen handelt es sich um den Verkauf der Lentzesiedlung mit 76 Wohnungen in Wilmersdorf durch die Gesobau, zwei Siedlungen mit rund 1500 Wohnungen in Spandau und Tegel-Süd durch die GEWOBAG und mehr als 2600 Wohnungen in Steglitz, Neukölln, Köpenick und Wedding durch die DEGEWO.
Die Senatsverwaltung bezeichnet die Sichtweise des BMV als „unzutreffend“. Hella Dunger-Löper (SPD), Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, argumentiert, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften könnten „neben den Verkäufen gemäß den Regelungen des Achtpunkteprogramms durchaus auch – in der Regel größere – Verkäufe tätigen, die beispielsweise aus Liquiditätsgründen zur Finanzierung größerer Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen erforderlich sind und aus anderen Erträgen nicht gedeckt werden können.“ Die vom BMV „kritisierten Vorgänge“ seien nach ihrer Meinung daher „als Liquiditätsverkäufe außerhalb des Achtpunkteprogramms zu werten“, so Dunger-Löpers Auffassung. Reiner Wild vom BMV hält die Argumentation der Staatssekretärin für „vorgeschoben und nicht nachvollziehbar“. So seien beim Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW an den US-Fonds Cerberus für sämtliche Mieter besondere Kündigungsschutzklauseln vertraglich verankert worden. „Offensichtlich können die städtischen Wohnungsbaugesellschaften willkürlich entscheiden, ob sie sich an Senatsbeschlüsse halten oder nicht“, sagt Wild. „Und der Senat lässt sie gewähren.“
Volker Wartmann
MieterMagazin 3/05
Kein Mieterschutz im Privatisierungsvertrag: verkaufte Wohnungen in der Wilmerdorfer Lentzesiedlung
Foto: Kerstin Zillmer
26.04.2013