Längst hat der Senat sein Engagement für die Sanierung heruntergekommener Altbauten aufgegeben. Eine Strategie, wie die Entwicklung der Sanierungsgebiete trotz fehlender öffentlicher Fördermittel fortgeführt werden kann, existiert genauso wenig wie ein übergreifendes Konzept für Erneuerungs-, Quartiersmanagement- und Stadtumbaugebiete. Mit der Verabschiedung seiner neuen Leitsätze zur Stadterneuerung hat der Senat nach Ansicht des Berliner Mieterverein die Chance verpasst, neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Zum 1. Februar 2005 hat der Berliner Senat auf Vorschlag von Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer (SPD) die Leitsätze zur Stadterneuerung neu gefasst. Mit diesen Leitsätzen wird nach Auffassung des Berliner Mieterverein nur der ohnehin gängigen Praxis die Absolution erteilt. Die Leitsätze sind weder das Ergebnis eines Willensbildungsprozesses in den betroffenen Quartieren wie in den 80er Jahren noch eine ehrgeizige Formulierung von städtebaulichen Zielen wie in den 90ern. Wer sich von dem Amtsantritt der Senatorin Junge-Reyer einen neuen Politikstil erhoffte, muss sich mit den neuen Leitsätzen eines Besseren belehren lassen. Nicht einmal die seit Jahren im Sanierungsgeschäft beteiligten Institutionen wurden gefragt, welche Empfehlungen sie abgeben – von Anhörungen ganz zu schweigen.
Problematische Grundstücke ausgespart
Schon im nächsten Jahr sollen die ersten Sanierungsgebiete der 9. bis 11. Verordnung, die ab 1993 festgelegt wurden, vorfristig entlassen werden. Je weniger Sanierungsgebiete, desto weniger Planungsaufwand und Infrastrukturverpflichtungen. Folgerichtig heißt es im 6. der neugefassten Leitsätze, dass die Sanierung nunmehr in kürzerer Zeit durchzuführen ist. Das Ende der Sanierung kann eingeläutet werden, wenn auf 60 Prozent der Grundstücke Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Da zum Zeitpunkt der Verabschiedung der neuen Leitsätze in den noch bestehenden Sanierungsgebieten bereits 52 Prozent der Wohnungen modernisiert wurden, ist das Ende also nicht weit. Dieses Vorgehen hält Werner Oehlert, ASUM-Geschäftsführer und mit der Mieterbetreuung in Friedrichshain-Kreuzberg beauftragt, für bedenklich. Verblieben seien in den Gebieten vorrangig die problematischen Grundstücke, die aber würden nun ausgespart.
Die öffentliche Förderung konzentriert sich schon seit zwei Jahren auf die Verbesserung der Infrastruktur, die dem Sanierungsfortschritt bei Wohngebäuden von Anfang an hinterherhinkte. 219 Millionen Euro hält der Senat noch für erforderlich, davon werden 77 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2004/2005 aufgebracht.
Wenig zufrieden stellend ist die Aufweichung bei der Betroffenenbeteiligung. Verdrängung soll nur noch „möglichst vermieden“ werden, den Genehmigungsvorbehalten mit Mietobergrenzen wird eine Absage erteilt. Dafür wird die neue Praxis der Bezirksämter, die Ziele des Gebietssozialplans und der haushaltsbezogenen Sozialpläne durch vertragliche Vereinbarungen zu sichern, aufgenommen.
Reiner Wild
MieterMagazin 3/05
Drohendes Ende: Die neuen Leitsätze zur Stadterneuerung geben eine Abkürzung des Sanierungsprozesses vor
Foto: Kerstin Zillmer
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„Nachteilige Wirkungen möglichst vermeiden“
Die Ziele und die Durchführung der Sanierung haben sich an den Belangen und Interessen der Betroffenen zu orientieren. Nachteilige Wirkungen, auch die Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung infolge städtebaulicher Planungen und Maßnahmen, sollen auf der Grundlage eines Gebietssozialplans möglichst vermieden oder gemildert werden.
Die Qualität der Quartiere ist auch auf den Zuzug stabilisierend wirkender Bevölkerungsgruppen (insbesondere junge Familien) auszurichten. Ferner sind die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung als zukünftig wachsender Bevölkerungsanteil stärker zu beachten.
(Leitsatz 3 zur Stadterneuerung)
Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung IV C, 1.2.2005
04.08.2013