Berlin kann sich sehen lassen. Viele Straßenzüge erstrahlen wieder in altem Glanz. Kaum eine andere Großstadt hat so viele Grünflächen wie Berlin. Doch es gibt auch weniger gute Nachrichten: Berlin muss sparen – und das wirkt sich auch auf die Pflege der öffentlichen Flächen aus. Einige Bürger legen deshalb bereits selber Hand an.
In den vergangenen Jahren hat die Hauptstadt nicht nur mit eleganten Flaniermeilen und belebten Plätzen gepunktet. Auch der Spreebogenpark und ein neuer Grünzug anstelle der ehemaligen Entlastungsstraße im Tiergarten signalisieren: alles im grünen Bereich! Doch der schöne Schein trügt: An anderen Orten der Stadt sieht es bei weitem nicht so gut aus. Auffällig in Berlin ist das große Gefälle innerhalb der Stadt: in der City hui, in den Kiezen pfui. Das Problem: Berlin ist pleite. Deshalb wird auch bei der Pflege öffentlicher Flächen gespart. Das gilt jedoch weniger für die repräsentative Orte, sondern vor allem für jene außerhalb der Innenstadt, die von den Touristen und Medien nicht wahrgenommen werden.
80 Millionen für Berlins Grün
„Derzeit stellt der Senat rund 80 Millionen Euro für die Pflege der öffentlichen Grünflächen pro Jahr zur Verfügung“, informiert Beate Profé, Referatsleiterin für Stadtgrün und Freiraumplanung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Die 80 Millionen entsprechen etwa der Hälfte der Summe, die vor zehn Jahren im Haushalt stand.“ Im Gesamtbudget aller Berliner Bezirke entspricht das einem Anteil von rund sechs Prozent. Wie viel Geld der Senat für die Pflege zur Verfügung stellt, wird jedes Jahr aufs Neue verhandelt.
Die Grünpflege erfolgt nach einem System, das die öffentlichen Bereiche in vier „Pflegeklassen“ unterteilt. Gerade mal drei Prozent der Grünflächen werden der ersten Pflegeklasse
zugeordnet. Das bedeutet: Jeder Quadratmeter dieser Anlagen wird im Jahr mindestens sechs Minuten lang gepflegt. Das gilt für Schmuckplätze wie etwa den Pariser Platz. Der zweiten Klasse sind 20 Prozent der Grünanlagen zugeordnet. Sie werden pro Quadratmeter 4,5 bis 5,9 Minuten umsorgt. Den 22 Prozent der Anlagen in der dritten Klasse werden 2,4 bis 4,4 Minuten gewidmet. Klasse vier – 56 Prozent der Grünanlagen – müssen mit 0 bis 2,4 Minuten vorliebnehmen.
Gespart wird zum Beispiel im Görlitzer Park in Kreuzberg: Schon vor Jahren klagten die Kiezbewohner, dass der Park in einem schlechten Zustand sei: Der Müll werde nicht beseitigt, Toiletten fehlten und die Pflanzen würden nicht bewässert. Der 1998 für 3,5 Millionen Mark errichtete Pamukkale-Brunnen war nur wenige Monate in Betrieb. Schon nach dem ersten Winterfrost tauchten Risse im Sandstein auf. Seither steht die Anlage eingezäunt im Park – und verfällt weiter. Und selbst wenn der Brunnen irgendwann saniert sein wird, ist seine Inbetriebnahme nicht gesichert: Der Bezirk hat kein Geld für die jährlich 40.000 Euro Betriebskosten. Auch in Charlottenburg sind die Anwohner unzufrieden mit dem Zustand ihrer Grünanlagen: Im Lietzenseepark warf eine Bürgerinitiative vor Jahren schmutzige Windeln auf die Wiese, um auf den Zustand der Erholungsflächen aufmerksam zu machen.
Die öffentliche Hand kommt auch deshalb bei der Pflege kaum hinterher, weil die Anforderungen enorm sind: Rund 4000 Kilometer Straßenland werden von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) saubergehalten, die Grünflächenämter der Bezirke betreuen etwa 10.000 Hektar Fläche. Hinzu kommen mehr als 2500 öffentliche Grün- und Erholungsanlagen mit einer Gesamtfläche von über 5500 Hektar. 412.000 Bäume säumen die Straßen der Stadt. Drei Parks und 16.000 Hektar Wald unterliegen unmittelbar der Pflege des Senats. Rund zehn Prozent der Berliner Fläche gelten als Grünflächen.
Bezirke haben Gestaltungsspielraum
Ob die vom Senat zur Verfügung gestellten Gelder tatsächlich in der jeweils berechneten Höhe für die Grünpflege eingesetzt werden, ist nicht gesagt. Die Bezirksverordnetenversammlungen verfügen über das Budget ihres Bezirks mit großer Freiheit. Sie können beispielsweise auch beschließen, weniger in die Grünanlagen zu investieren und dafür im kulturellen Bereich mehr auszugeben. Mit der Summe, die schließlich zugeteilt wird, können die zuständigen Grünflächenämter arbeiten. Diese entscheiden im Detail, wo und in welcher Form gepflegt beziehungsweise neu gestaltet wird.
Die Höhe der Kosten, die in den einzelnen Bezirken für bestimmte Arbeiten anfallen, variieren deutlich: Die „Bereitstellung und Pflege von Spielplätzen und sonstigen Bewegungsflächen pro Quadratmeter im Jahr“ belief sich 2005 in Spandau auf 6,79 Euro, in Treptow-Köpenick auf 3,69 Euro. Die Pflege eines Quadratmeters Grünfläche pro Jahr kostete 2005 in Friedrichshain-Kreuzberg 3,63 Euro und in Marzahn-Hellersdorf 0,71 Euro. Wie viel Wert ein Bezirk auf die Pflege seiner Anlagen legt, spiegelt sich auch in den Ausgaben wider. Aber es fällt auch ins Gewicht, wie effektiv die Gartenbauämter wirtschaften.
Lars Klaaßen
Rehwiese: Bürger betreiben Naturschutz
Die Anwohner der Rehwiese in Nikolassee legen selbst Hand an, um den Grünbereich zu erhalten. Das Engagement nahm im Februar 2005 seinen Anfang: Seinerzeit wurden auf dem Areal über 40 Bäume gefällt und die Hälfte aller vorhandenen Büsche und Hecken gerodet, darunter wertvolle einheimische Gehölze. Eine Gruppe engagierter Bürger hat sich daraufhin rasch zusammengeschlossen, um die einzigartige Kulturlandschaft zu retten. Iris Fleckenstein-Seifert, Sprecherin der Initiative: „In Verhandlungen mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und Politikern kam es zu einer produktiven Zusammenarbeit mit dem Naturschutz- und Grünflächenamt.“ Unterstützt von Fachleuten kümmern sich die Bürger nun selbst um den Erhalt der Grünflächen. In Absprache mit dem Bezirksamt und den Berliner Wasserbetrieben, die Eigentümer eines Großteils der Rehwiese sind, führen sie einmal im Monat umfangreiche freiwillige und kostenlose Pflegeeinsätze durch. Sie spenden, pflanzen und pflegen Bäume. Sie sammeln Müll und hängen Nisthilfen für Vögel und Fledermäuse auf. Mittlerweile zählt die Initiative über 300 Mitstreiter, rund 30 sind regelmäßig bei den Einsätzen dabei.
lk
Bersarinplatz: Private Inselpflege
Dass Marc-Rajan Köppler Landschaftsplaner ist, hat seinen Einsatz für den Bersarinplatz sicherlich befördert. Der Zustand des fast 4000 Quadratmeter großen Runds inmitten des Kreisverkehrs auf der Petersburger Straße in Friedrichshain ließ ihm keine Ruhe. Im Herbst 2005 wandte er sich an das Bezirksamt. Seine Bitte: den Platz mit Pflanzen gestalten zu dürfen. Im Zentrum des Grüns befindet sich eine von Eiben umringte rund 500 Quadratmeter große Pflanzfläche. Dort legte er im Juni 2006 gemeinsam mit dem freien Landschaftsplaner Christian Meyer einen Kiesgarten an. Das Grünflächenamt setzte hierfür 32 Findlinge und brachte rund 60 Tonnen Splitt auf der Fläche auf. In gemeinnütziger Arbeit sind unter Köpplers Leitung rund 1800 Pflanzen eingesetzt worden. Der „Platzmeister“, wie er sich selbstironisch bezeichnet, geht seither alle zwei bis drei Tage zum Kiesgarten. Er sammelt vor allem Papier und Blätter auf. Seine Freude über den Garten wird jedoch durch das Verhalten einiger anderer Anwohner getrübt: „Seit die Pflanzung angelegt wurde, sind die verschiedensten Formen von Vandalismus auf dem Platz aufgetreten.“
lk
MieterMagazin 3/07
Im Kiez wird gespart: gesperrter Pamukkale-Brunnen im Görlitzer Park in Kreuzberg
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Im Kiez wird gespart: vermüllter ehemaliger Grenzstreifen an der Heinrich-Heine-Straße
Klasse 1: Sechs Minuten Pflege pro Quadratmeter an den Renommierorten
Privatinitiative auf öffentlichem Land:
Landschaftsplaner Köppler kümmert sich um den Bersarinplatz
18.07.2013