Die Berliner kommunalen Wohnungsunternehmen verlieren bei Fortsetzung der eingeschlagenen Mietenpolitik ihre Bedeutung als zentrales soziales Versorgungsregulativ – so das Ergebnis einer Studie des Bundesverbandes Wohneigentum und Stadtentwicklung (vhw), die dieser in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund und dem Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV) durchgeführt hat. Die Umwälzungen in der Landschaft der Wohnungsanbieter haben durch die Privatisierung nicht nur Folgen für die Bestände privater Investoren, sondern verändern auch die Bewirtschaftungsstrategien der städtischen Wohnungsunternehmen.
Wer gehofft hatte, dass sich die Folgen der Privatisierung lediglich in den betreffenden Wohnungsbeständen bemerkbar machen, der wird mit der Studie des Bundesverbandes Wohneigentum und Stadtentwicklung eines Besseren belehrt. Die Ergebnisse des Projektes „Transformation der Wohnangebotslandschaft und ihre Folgen“ belegen vielmehr eine grundlegende Veränderung am gesamten Markt. Die neuen Investoren wollen beweisen, dass am Wohnungsmarkt höhere Renditen als bisher üblich erwirtschaftet werden können. Damit stoßen sie offenkundig die Tür auch für die verbliebenen städtischen Wohnungsunternehmen auf, die sich – bei ähnlicher Struktur ihrer Wohnungsbestände – nun auch um ähnliche Nachfragergruppen bemühen. Da jedoch in Berlin die Rahmenbedingungen für städtische Wohnungsunternehmen und neue Investoren differieren, kommt es durch die veränderte Bewirtschaftungspolitik zu unterschiedlichen Folgen für die Mieter.
Das kommunale Angebot wird teurer
Die Wohnungsbestände der kommunalen Wohnungsunternehmen in Berlin werden von deutlich kaufkraftschwächeren Haushalten bewohnt als jene der neuen Investoren. Derzeit leisten die kommunalen Wohnungsunternehmen damit einen Beitrag zur Versorgung einkommensschwächerer Haushalte und sind – entgegen der Auffassung von Berlins Finanzsenator Sarrazin – ein soziales Marktkorrektiv. Trotz dieser besonderen Zusammensetzung der Bewohner unterscheidet sich das Vermietungsangebot beider Unternehmensgruppen nicht, sondern ist jeweils orientiert an den aktuellen Marktmieten. Nur ein Viertel aller in den Jahren 2006 und 2007 ausgewerteten Angebotsmieten der kommunalen Wohnungsunternehmen lag unterhalb der durchschnittlichen Bestandsmiete, während ein Drittel der Angebote die jeweilige Durchschnittsmiete um mehr als 20 Prozent überstieg.
Eine preisdämpfende Mietenpolitik, so die Forscher des „vhw“, sei aktuell weder bei den neuen Investoren noch bei den kommunalen Wohnungsunternehmen auszumachen. Die Zielmieten von 5,50 Euro pro Quadratmeter nettokalt im Monat und mehr sind bei den kommunalen Wohnungsunternehmen von 20 Prozent aller Mietangebote dieser Unternehmensgruppe im Jahr 2006 auf 27 Prozent 2007 angewachsen. Sollten sich diese realisieren lassen, würde das in den Quartieren der kommunalen Wohnungsunternehmen zu einer Verschiebung der Sozialstrukturen „nach oben“ führen. Gemessen an der Kaufkraft der derzeitigen Bewohner ergeben sich potenzielle Mietbelastungsquoten von mehr als 25 Prozent bei 31 Prozent (West) und 36 Prozent (Ost) der Bewohner. Eine solch hohe Mietbelastungsrate haben hingegen nur 17 Prozent (West) beziehungsweise 25 Prozent (Ost) der Mieter in den Beständen der neuen Investoren. Auch infolge der umfassenden Erhöhung ihrer Bestandsmieten erfüllen die kommunalen Vermieter in Berlin immer weniger ihren sozialpolitischen Versorgungsauftrag. Gleichwohl erhöhte sich der Anteil der kommunalen Wohnungsbestände in den durch das „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“ als problematisch bezeichneten Wohngebieten auf inzwischen 34 Prozent, während der Anteil der Bestände neuer Investoren dort zurückgegangen ist. In Anbetracht teilweise bröckelnder Eigenkapitalbasis sind die kommunalen Wohnungsunternehmen auf entspannten Wohnungsmärkten in ein Spannungsfeld zwischen Marktentwicklung, wirtschaftlichen Erfordernissen, Gesellschaftererwartungen und sozialem Auftrag geraten. Aus diesem Dilemma versuchen sie sich im Windschatten der neuen Investoren durch eine für die Bewohner problematische Mietenpolitik zu befreien.
Die sogenannten Opportunity Funds unter den neuen Investoren überneh-men privatisierte Wohnungsunternehmen nur kurzfristig für einen Zeitraum von drei bis sieben Jahren. Sie finanzieren sich mittels Kapitalmarktprodukten, denn sie verfügen nur über eine geringe Eigenkapitalquote. Nach ihrem Ausstieg werden strategische Investoren in diesen Markt einsteigen. Über deren Bewirtschaftungsverhalten gibt es bislang nur geringe Erfahrungen. Der Hebel für die angestrebten Renditeziele der neuen Investoren sind interne Prozessoptimierung sowie eine erlösoptimierte Vermietungs- und Bewirtschaftungspolitik, so die Forscher des „vhw“. Dies komme nicht immer einer Aufwertungsstrategie gleich. Vielmehr würden die neuen Investoren auf eine differenzierte teilmarkt- und nachfrageorientierte Vermietungspolitik setzen. Damit soll auch dem Wohnungsleerstand begegnet werden. Nach den Ermittlungen der Studie richten die Investoren ihre Preis- und Belegungspolitik an kleinräumlichen Marktbedingungen aus. Lagequalitäten, Baustrukturtyp und Leistungsfähigkeit der potenziellen Nachfrager fließen in die Mieten- und Belegungspolitik ein. Allerdings haben auch die neuen Investoren nach den Erfahrungen des Berliner Mietervereins umfassend das Mietniveau in bestehenden Mietverhältnissen nach oben getrieben.
Private Investoren bevorzugen deutsche Mieter
Zudem wird eine veränderte Belegungspraxis sichtbar. So konnte für das privatisierte Wohnungsunternehmen GSW ermittelt werden, dass entgegen dem allgemeinen Trend in bestimmten Wohnvierteln die Vermietung an nichtdeutsche Mieter deutlich zurückgegangen ist. Von dieser Belegungspraxis macht das Unternehmen da Gebrauch, wo Zielgruppenalternativen bestehen. Die Konsequenzen der selektiven und deutlich reduzierten Investitionspolitik, so die Bewertung beim Berliner Mieterverein, werde man erst in einigen Jahren zu spüren bekommen.
Ergänzt wird die „vhw“-Studie durch eine Befragung der Mieter in den Wohnungsbeständen der privatisierten GSW und kommunaler Wohnungsunternehmen. In Berlin befragten Mitarbeiter des Deutschen Mieterbundes rund 100 Mieter per Telefon, vor allem zu den für sie wichtigen Dienstleistungen und Serviceangeboten. Die Ergebnisse geben kein einheitliches Bild wider. Bei der überwiegenden Zahl der abgefragten Merkmale, zum Beispiel Erreichbarkeit, Freundlichkeit und Kompetenz, schneiden die kommunalen Vermieter besser ab als die GSW. Allerdings bleibt ungeklärt, ob deren negative Bewertung auch schon vor der Privatisierung bestand. Die Veränderungen beim Kontakt mit dem Vermieter werden bei beiden Unternehmensgruppen gleich in Richtung einer Verschlechterung bewertet, bei GSW-Mietern gibt es aber auch eine kleine Gruppe von Mietern, die positive Änderungen bescheinigt. Nach Aussage der befragten Mieter hat die GSW mehr als die städtischen Wohnungsunternehmen von Mieterhöhungen Gebrauch gemacht, in Modernisierungen und das Wohnumfeld aber deutlich weniger investiert.
Reiner Wild
Tabelle oben: Veränderung der Anzahl von Nichtdeutschen 2001 bis Ende 2006 in West-Berlin (in Prozent)
MieterMagazin 3/08
Private Investoren preschen bei den Mieten vor, kommunale Unternehmen eilen hinterher (hier: privatisierter GSW-Wohnungsbestand in der Réaumurstraße in Lichterfelde)
Foto: Christian Muhrbeck
So wurde untersucht
Der erste Abschnitt des Projektes „Transformation der Wohnangebotslandschaft und ihre Folgen“ befasst sich mit Strukturen und transformationsbedingten Entwicklungen in entspannten Wohnungsmärkten. Als Modellstädte wurden Berlin, Essen, Hannover und Kiel ausgewählt. Die Modellstädte stellten blockscharfe Daten zu den wichtigsten sozio-demografischen Indikatoren bereit. Ergänzt wurden sie um adressscharfe Mikrovariablen über die Leistungsfähigkeit der Bewohner (Kaufkraft und ihre Milieuzugehörigkeit). Zudem wurden in Berlin 13.000 Mietangebote aus den Jahren 2006 und 2007 erfasst und ausgewertet. Die Unternehmensbestände mit Zuordnung zu den unterschiedlichen Anbietergruppen (neue Investoren und kommunale Wohnungsunternehmen) wurden räumlich verortet. Für die GSW konnte insgesamt auf eine räumliche Bestandsinformation zum Zeitpunkt des Verkaufs zurückgegriffen werden. Dies wurde ergänzt um die Bewertung von Wohnanlagen, die seit der Privatisierung von der GSW und auch von der Gagfah veräußert wurden.
rw
12.07.2013