Strom, Gas, Heizenergie und oft auch Wasser werden verbrauchsabhängig abgerechnet. Jeder Mieter kann so die Kosten beeinflussen. Warum aber wird Müll noch immer pauschal nach Wohnfläche beziehungsweise nach der Anzahl der zum Haushalt gehörenden Personen abgerechnet? Die technischen Voraussetzungen für eine verursacherabhängige Abrechnung sind vorhanden. Beispiele in Berlin und anderen Städten zeigen: Die Reduzierung des Hausmülls kann beträchtlich zur Senkung der Betriebskosten beitragen.
Nach Energie und Wasser nehmen die Kosten der Restmüllentsorgung bei den Betriebskosten Platz 3 ein. Um diese zu senken, sollte der Mieter die Möglichkeit haben, auch seine Restmüllmenge – wie den Wärme-, Strom-, Gas- und Wasserverbrauch – zu optimieren. In einer Umfrage des Deutschen Mieterbundes sprachen sich 68,8 Prozent der Befragten für eine verbrauchsabhängige Kostenverteilung von Müll aus.
Die technischen Voraussetzungen für eine verursacherabhängige Abrechnung bieten sogenannte Müllschleusen. Gängige 1,1-Kubikmeter-Müllbehälter stehen in einer geschlossenen Betonumhausung und Mieter können die Einwurfklappen dieser Umhausung mit einer Chipkarte oder einem Transponder – einem elektronischen Schlüssel – öffnen. Bei einigen Systemen ist die Einwurf- beziehungsweise Erfassungseinheit auch direkt auf dem Müllbehälter montiert. Die Müllschleusen registrieren die Menge des eingeworfenen Restmülls und belasten das „Müllkonto“ des Mieters.
Da die Standplätze mit Gehäusen versehen sind, gefährdet Vandalismus weder die Mechanik noch das elektronische System. Inzwischen bieten diverse Hersteller solche Systeme an, auch eine Umrüstung bestehender Anlagen ist möglich.
In zahlreichen Städten im In- und Ausland gibt es bereits positive Erfahrungen mit der verursacherabhängigen Abrechnung der Müllkosten. Entsprechende Systeme sind bereits seit 15 Jahren im Einsatz. So sank bei den Mietern der WBG Zukunft in Erfurt die Restmüllmenge durch die verbrauchsabhängige Registrierung um über ein Drittel, im hessischen Langen um 40 Prozent und im Hamburger Stadtteil Niendorf und in einem Testgebiet im hessischen Raunheim sogar um 65 Prozent.
Problem „Mülltourismus“
Dass die Restmüllmengen beim Einsatz von Müllschleusen sinken, resul-tiert auch daraus, dass der „Mülltourismus“, das heißt die missbräuchliche Müllentsorgung durch Fremde, und auch die Entsorgung von Sperrmüll wie Stühlen oder Fernsehgeräten in die Müllbehälter gestoppt wird.
Die Kosten des verursacherabhängigen Müllentsorgungssystems werden von der Beratung über die Kontrolle und Reinigung bis zur Abrechnung über eine Beteiligung des Müllschleusenanbieters an den eingesparten Müllgebühren finanziert. Dieses „Performance Contracting“ garantiert dem Wohnungsunternehmen den wirtschaftlichen Erfolg der Umstellung auf Müllschleusen. Vor der Einführung des Systems sind eine detaillierte Analyse des Müllaufkommens und eine umfassende Aufklärung der Mieter erforderlich. Die Wohnungsgenossenschaft „Einheit“ in Hennigsdorf hat errechnet, dass die Kosten des neuen Systems ausgeglichen und die Müllgebühren sogar gesenkt werden können, wenn das Restmüllvolumen um circa 50 Prozent sinkt. Untersuchungen der Fachhochschule Potsdam haben ergeben, dass mit Müllschleusen und Müllwaagen eine Reduzierung der Restmüllmenge um die Hälfte realistisch ist.
Für Vermieter besteht nach § 556 a BGB die Möglichkeit, neben den gesetzlich vorgeschriebenen Heizkosten auch weitere Betriebskostenarten, etwa den Müll, nach Verbrauch abzurechnen. Auch in der Neufassung der Betriebskostenverordnung sind in § 2 Nr. 8 „die Kosten des Betriebs von Müllkompressoren, Müllschluckern, Müllabsauganlagen sowie des Betriebs von Müllmengenerfassungsanlagen einschließlich der Kosten der Berechnung und Aufteilung“ als Betriebskosten genannt.
Auf der anderen Seite hat die Stadt München Müllschleusen generell verboten, weil diese angeblich dazu führen, dass die Mieter ihren Restmüll in den Wertstoffbehältern entsorgen. Auch in Berlin ist die mögliche Vermüllung der Stellplätze bei vielen Wohnungsunternehmen noch immer das Hauptargument gegen die Einführung von Müllschleusen. Um zu verhindern, dass Mieter ihren Restmüll anderswo entsorgen, stellen Vermieter in einigen Städten ihren Mietern ein Mindestvolumen in Rechnung, zum Beispiel sind in Leinefelde 30 Liter pro Person und Monat als Minimum obligatorisch. Dieses System hat sich auch in anderen Städten bewährt. Im hessischen Langen beträgt das Mindestvolumen pro Einwohner zum Beispiel 45 Liter pro Monat.
Umdenken auch in Berlin?
Das für einen Einsatz der verursacherabhängigen Müllentsorgung notwendige Knowhow wäre also vorhanden, doch das Argument mit den bewussten Fehlbefüllungen der Wertstofftonnen wiegt noch immer schwer. In den Jahren 2000 und 2001 gab es Pilotprojekte in Friedrichshain, Hellersdorf und Marzahn, gefördert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie und dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Die BSR stellte seinerzeit einen erheblichen Anstieg von Fehlbefüllungen in den Wertstoffbehältern und von illegaler Entsorgung im Umfeld der Behälter fest und schlussfolgerte, „dass Müllschleusen in Großwohnanlagen nicht geeignet sind, Abfallmengen und -kosten zu reduzieren“. Noch heute schätzt die Berliner Stadtreinigung die Akzeptanz von Müllschleusen „sowohl bei den Mietern als auch bei der Wohnungswirtschaft als eher gering ein“. BSR-Sprecherin Sabine Thümler bestätigt auf Nachfrage jedoch, dass ihr Unternehmen „auch zu diesem Thema im Austausch mit Vertretern der Wohnungswirtschaft“ steht.
Die Hausverwaltung Fabarius, die Grand City Property Management GmbH und einige andere Berliner Vermieter setzen seit Jahren im Interesse ihrer Mieter Müllschleusen ein. Aber auch die großen Wohnungsunternehmen denken zurzeit um. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen hat gerade eine Arbeitsgruppe gebildet, die die verstärkte Einführung von Müllschleusen prüfen soll. Ulrich Jursch, Leiter des Degewo-Bestandsmanagements: „Da erhebliche Einsparpotenziale durch die Reduzierung des Hausmülls erzielt werden können, prüfen wir alle Möglichkeiten – auch die Anwendung von Müllschleusen.“ Degewo-Pressesprecherin Erika Kröber ergänzt: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich das Umweltverhalten bei den Mietern geändert hat. Sie sind sensibler für dieses Thema geworden, auch hat ihr Sparbewusstsein zugenommen.“
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 3/09
Foto: Michael Jespersen
Im Jahr 2000 ergab ein Pilotprojekt zur Müllschleuse in Hellersdorf einen Anstieg der Fehlbefüllungen in Wertstofftonnen
Foto: Kerstin Zillmer
Die Schleuse wird mit einem Transponder geöffnet, das Müllvolumen individuell erfasst
Fotos: imvisio GmbH
09.06.2013