Nachdem der Senat 2003 die Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau gestoppt hat, melden mehr und mehr Hausbesitzer Insolvenz an. Etwa 100 Häuser wurden bisher verkauft oder für den Verkauf vorbereitet, doppelt so viele Zwangsversteigerungen wurden eingeleitet. Investoren aller Couleur wittern ihre Chance: Sie kaufen Sozialbauten in guter Lage für wenig Geld, sanieren sie – möglichst ohne die bisherigen Mieter – und wandeln sie in Eigentumswohnungen um oder vermieten sie teuer. Ein Beispiel sind die Häuser Pohlstraße 43-53 in Tiergarten.
Lior Mamrud und sein Geschäftspartner Josif Smuskovics betreiben mehrere Dutzend Immobilienfirmen in der Stadt. Ihre „Erste D.V.I. Berlin Portfolio GmbH“ hat im vergangenen Jahr die Blöcke in der Pohlstraße 43-53 aufgekauft. Mitte Oktober erhielten die Mieter das erste Mieterhöhungsschreiben. Die Forderung von 6,29 Euro pro Quadratmeter netto kalt bedeutet eine Mietsteigerung um bis zu 60 Prozent. Unter den Mietern sind viele, die damit überfordert sind. Inzwischen musste die Erhöhung zwar auf 6,16 Euro pro Quadratmeter, die rechtlich zulässige Kostenmiete, reduziert werden, aber selbst das ist für viele Mieter nicht bezahlbar.
„Vermietung provisionsfrei: Wohnungen, Tiefgaragenplätze“ verheißen Tafeln an den Häusern in der Pohlstraße. Bereits jetzt stehen von den 70 Wohneinheiten viele leer. Weitere Mieter werden wegziehen. Vertreibung einkalkuliert?
Mittlerweile organisieren die Mieter in der Pohlstraße 43-53 ihren Protest gemeinsam. Der Mieterverein und das Quartiersmanagement Magdeburger Platz/Tiergarten-Süd unterstützen sie. Einem Mieter wurde, wegen angeblichem „Zahlungsverzug“, die Wohnung gekündigt – kurz nach Erscheinen eines Artikels in der „Berliner Zeitung“, in dem er sich kritisch zu den Praktiken der neuen Besitzer geäußert hatte.
Hausbesitzer Mamrud hält die Mieterhöhung indessen für „nicht unverhältnismäßig“. Eine Umwandlung in Eigentumswohnungen schließt er aus. Auch signalisiert er inzwischen Gesprächsbereitschaft bei der „Suche nach Lösungen“. Für die Probleme in der Pohlstraße macht er vor allem Versäumnisse in der Wohnungspolitik des Berliner Senats verantwortlich – nicht ganz zu Unrecht, wenn auch Mamrud mit diesem Verweis hauptsächlich von der eigenen Verantwortung ablenken will. Ende Januar musste der Senat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Matthias Brauner, einräumen, dass Erwerber von Sozialwohnungen zu Lasten von Mietern und Steuerzahlern zumindest in Ausnahmefällen Kapitalrenditen von über 50 Prozent erzielen. Staatssekretärin Hella Dunger-Löper verweist in der Antwort auf die Anfrage auf das Berliner Wohnraumgesetz, das solche Mietexzesse stoppen soll. Nicht nur die Mieter in der Pohlstraße warten dringend auf mehr Schutz vor Mieterhöhungen.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 3/11
In der Pohlstraße werden Mieter durch horrende Mietforderungen zum Auszug getrieben
Foto: Sabine Münch
26.03.2013