Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Nutzung von Wohnungen an der Wilhelmstraße als Ferienapartments für rechtmäßig erklärt. Es konnte dort keinen Beherbergungsbetrieb erkennen, den der Bezirk Mitte hätte untersagen können. Die Entscheidung macht deutlich, dass ein Zweckentfremdungsverbot notwendig ist, um die Umnutzung von Wohnungen einzudämmen.
Offensichtlicher als in der Wilhelmstraße kann ein Beherbergungsbetrieb kaum sein: Die Apartments sind durchnummeriert und schon von außen an den einheitlichen Gardinen zu erkennen. Den Gästen werden Bettwäsche und Handtücher gestellt, und in der Behrenstraße gibt es eine Rezeption. Über 250 der 933 Wohnungen werden inzwischen von der „B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft“ an Touristen vermietet. Die Mieter klagen seit Jahren über Gäste, die sich daneben benehmen, nachts lärmen und in den Treppenhäusern und Aufzügen Müll hinterlassen. Das Bezirksamt wollte deshalb der Eigentümerin die Vermietung an Touristen verbieten.
Gemäß der 2010 neugefassten Berliner Betriebsverordnung sei in der Wilhelmstraße 85 von einer Beherbergungsstätte auszugehen. Mithin gäbe es eine nicht genehmigte Nutzungsänderung, weil nach dem Bebauungsplan für dieses Grundstück nur eine Wohnnutzung zulässig sei.
Nach Ansicht des Gerichts sei die Nutzung aber immer noch als Wohnen und noch nicht als Beherbergung einzuschätzen und könne deshalb nicht mit den Mitteln des Baurechts untersagt werden. Das Gericht folgte der Darstellung der Firma B.Ä.R., dass die fraglichen Wohnungen durchschnittlich für drei bis acht Monate vermietet werden und es nur eingeschränkt hoteltypische Dienstleistungen gebe. Es bestehe die Möglichkeit der eigenständigen Haushaltsführung und der unabhängigen Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises. Daher „wohnten“ die Nutzer in den Apartments und würden nicht von einem Unternehmen „beherbergt“, so das Verwaltungsgericht.
Insbesondere die angeblich mehrmonatigen Vertragslaufzeiten stehen in vollkommenem Widerspruch zu den Erfahrungen der Mieter, die im Haus Woche für Woche neue Leute vor Augen haben. Der Bezirk bekam in dem Eilverfahren keine Gelegenheit, der Darstellung der Eigentümerin zu widersprechen. Dennoch verzichtet er darauf, gegen das Urteil Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einzulegen. Man forderte stattdessen den Senat auf, die Möglichkeit eines generellen Zweckentfremdungsverbots zu prüfen.
Der Berliner Mieterverein fordert seit langem ein neues Zweckentfremdungsverbot. Mit einer solchen Verordnung könnte man nicht nur verhindern, dass Wohnungen als Ferienunterkünfte, Büros, Arztpraxen oder Yoga-Studios genutzt werden, sondern auch, dass dringend benötigter Wohnraum leer steht oder abgerissen wird.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung prüft zurzeit die rechtlichen Möglichkeiten eines Zweckentfremdungsverbots. „Wir haben ein gemeinsames Interesse, Ferienwohnungen nicht im großen Stil in der Innenstadt vorzufinden“, sagte Senator Michael Müller (SPD) im Abgeordnetenhaus. „Wir brauchen den Wohnraum für die Berliner.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 3/12
Dieses Gebäude in der Wilhelmstraße stand „vor Gericht“ in der Frage, was Ferienwohnungen sind und was nicht
Foto: Sabine Münch
Beschluss der 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Januar 2012 – Aktenzeichen VG 19 L 294.11
31.03.2013