Nachdem der Senat die städtischen Wohnungsbaugesellschaften jahrelang nach Belieben schalten und walten ließ, sollen sie jetzt wohnungspolitisch in die Pflicht genommen werden. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) verkündete am Jahresanfang medienwirksam einen Mieterhöhungsstopp für die 270.000 Wohnungen der landeseigenen Unternehmen. In Pankow machte der neue Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) einen Vorstoß zur Mietbegrenzung in zu modernisierenden Gewobag-Häusern.
Im Januar hat Senator Müller die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften angewiesen, vorerst „keine pauschalen Mieterhöhungen“ auszusprechen. Müller möchte mit den Wohnungsunternehmen Zielvereinbarungen schließen, die den Rahmen für die künftige Mietenentwicklung bilden.
Bisher waren die öffentlichen Vermieter nur mit einer recht allgemeinen Formulierung angehalten, sich bei Mieterhöhungen am Mietspiegel zu orientieren – was diese oft sehr frei auslegten. Als sich direkt nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels 2011 eine wahre Mieterhöhungswelle über die Stadt ergoss, waren die kommunalen Gesellschaften mit etwa 17.000 Mieterhöhungen maßgeblich beteiligt.
Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert deshalb schon seit langem wirksame Zielvereinbarungen. „Die Problematik scheint der Senat jetzt erkannt zu haben“, meint BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. In der Koalitionsvereinbarung gibt es verschiedene Ansätze, um auf die Mietpreisgestaltung der städtischen Wohnungsunternehmen größeren Einfluss zu nehmen. „Die Frage ist, wie das konkret geschehen wird“, so Wild. Legt man die städtischen Unternehmen bei Modernisierungs-Mieterhöhungen auf eine Orientierung am Mietspiegel fest, ist beispielsweise nicht klar, ob der Mietspiegel-Oberwert oder die konkret für die Wohnung errechnete Vergleichsmiete gemeint ist.
Unklar ist auch, welcher Maßstab angelegt wird, wenn Mieterhöhungen an der Leistungsfähigkeit der Mieter bemessen werden. „Wenn es Vermieter gibt, die sich an den Einkommen ihrer Mieter orientieren sollten, dann sind es die städtischen“, sagt Reiner Wild. Es gehe nicht an, dass es – wie in Kreuzberg – bei den landeseigenen Vermietern keine Wohnungen gibt, die für Empfänger von staatlichen Transferleistungen geeignet sind. „Die städtischen Bestände müssen zu einem erheblichen Teil Hartz-IV-tauglich sein“, fordert der BMV-Geschäftsführer.
Pankow geht mit gutem Beispiel voran
Jens-Holger Kirchner, grüner Baustadtrat von Pankow, wollte währenddessen nicht auf die Generallösung des Senats warten und schloss mit dem landeseigenen Wohnungsunternehmen Gewobag und der Mieterberatung Prenzlauer Berg einen Vertrag: In acht Häusern mit rund 150 Wohnungen, die die Gesobau in diesem Jahr sanieren will, wird die Modernisierungsumlage begrenzt. Für die betroffenen Hartz-IV- und Sozialhilfe-Haushalte sollen die Mieten nicht über die vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten steigen, bei wohngeldberechtigten Geringverdienern beträgt die Miete höchstens ein Drittel des Netto-Haushaltseinkommens. Für die übrigen Bewohner sollen die Mieten auf 5,93 bis 7,16 Euro nettokalt erhöht werden. Die Wohnungen werden zu je einem Drittel an Hartz-IV-Haushalte, Wohngeldberechtigte und „Normalverdiener“ vergeben. Bei späteren Neuvermietungen darf die Miete höchstens 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Pankow plant solche Vereinbarungen auch für Modernisierungsvorhaben der beiden anderen im Bezirk tätigen Wohnungsbaugesellschaften Gesobau und Howoge.
Jens Sethmann
MieterMagazin 3/12
270.000 Wohnungen gehören den landeseigenen Unternehmen – ihrem eigentlichen Versorgungsauftrag wurden sie bislang nicht gerecht
Foto: Degewo
Rat und Tat
Der „Mietenstopp“
gilt nicht rückwirkend
Der von Senator Michael Müller ausgerufene „Mieterhöhungsstopp“ ist nur eine Anweisung an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, vorerst keine weiteren Mieterhöhungen auszusprechen. Das bedeutet also nicht, dass man ein in den vergangenen Monaten zugegangenes Mieterhöhungsverlangen in den Papierkorb werfen kann. Es sollte vor Zahlung auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werden, es sei denn, der Vermieter hat es zurückgezogen.
js
31.03.2013