Bis Ende 1993 wurde das rund 96 Hektar große Gelände zwischen Osdorfer Straße und Reaumurstraße in Lichterfelde-Süd von der US-Armee als Übungsgelände „Parks Range“ genutzt. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen entwickelte sich hier ein einzigartiges Biotop. 2012 erwarb die Groth-Bauunternehmensgruppe das Gelände, um eine „Vorstadt Lichterfelde-Süd“ zu errichten. Ein Aktionsbündnis will die „Großstadtwildnis“ auf der Brache schützen.
Lichterfelde-Süd ist eine der letzten großen Stadtbrachen Berlins. Wie in Tempelhof muss bei der Bebauung auch hier ein Kompromiss zwischen Wohnungsbau und Schutz der Natur gefunden werden. Oder konkreter: ein Kompromiss zwischen den Interessen des Großinvestors, der die Fläche möglichst gewinnbringend verwerten will, und den berechtigten Interessen der Anwohner und der Naturschützer. Dieser Kompromiss ist noch in weiter Ferne.
Im Dezember 2012 beauftragte das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf Landschaftsarchitekten mit einem Schutzgebietskonzept für Lichterfelde-Süd. Aber auch auf den darin ausgewiesenen „bedingt bebaubaren Flächen“ und einem Waldgebiet will die Groth-Gruppe jetzt bauen. Insgesamt rund 39 Hektar sind zur Entwicklung von fünf Wohnquartieren mit 2200 bis 2700 Wohnungen vorgesehen – je zur Hälfte Miet- und Eigentumswohnungen – einschließlich Gemeinbedarfsflächen sowie eines Mischgebiets am S-Bahnhof.
Seit Herbst 2010 engagiert sich das Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde-Süd, unterstützt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), für eine sozialverträgliche Bebauung mit Wohnungen lediglich in einigen Randbereichen entlang der vorhandenen Straßen und auf aufgelassenen Gewerbeflächen. Das Bündnis fordert auch, dass die vorhandenen Defizite der Wohnumfeldstruktur der benachbarten Thermometer- und Woltmann-Siedlungen ausgeglichen und die 21 Betriebe mit etwa 200 Mitarbeitern auf dem Grundstück in einer Gewerbeinsel am Landweg fortgeführt werden.
Die zentralen und ökologisch wertvollen Bereiche will das Konzept langfristig als Landschaftsschutzgebiet sichern. Der zuständige Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller, lehnt eine Unterschutzstellung als Landschaftsschutzgebiet aber ab, weil für die notwendige Prüfung das Personal fehle. Klaus Groth, Geschäftsführender Gesellschafter der Groth-Gruppe, will die verbleibende Fläche denn auch lieber als „Natur- und Erlebnispark“ betrachtet sehen, den eine Trägergesellschaft übernehmen soll – und wohl auch als „Vorhaltegrün“ für Zeiten, in denen es politisch leichter sein wird, auch diese Flächen zu bebauen.
Jetzt ist das Stadtentwicklungsamt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf gefragt. Die Eckpunkte des Leitbilds Masterplan Lichterfelde-Süd vom August 2013 müssen dringend überarbeitet werden. Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin: „Die Vorfestlegungen müssen auf den Prüfstand.“ Gerhard Niebergall vom Aktionsbündnis: „Der rot-schwarze Senat und das schwarz-grüne Bezirksamt müssen sich entscheiden, ob sie in Lichterfelde-Süd vor allem das wirtschaftliche Interesse eines Investors bedienen oder einen lebenswerten Stadtteil entwickeln wollen.“ Die Zeit drängt: Die Bauvorbereitungen laufen bereits, im Herbst 2015 will die Groth-Gruppe mit dem Bau beginnen.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 3/14
Zentraler Bereich der „Vorstadt Lichterfelde Süd“: Landschaftsschutz oder Erlebnispark?
Karte: Groth
Weitere Informationen:
http://pruefstein-lichterfelde-sued.de
12.03.2014