Das Volk ist gezählt worden. Acht Millionen Menschen – rund zehn Prozent der Bevölkerung – hatten im Verlauf des Jahres 2011 Kontakt mit einem von rund 80.000 Interviewern. In Berlin haben mehr als 300.000 Bürger den Fragebogen für den Zensus erhalten. Der heftigste Protest ging in der Hauptstadt diesmal nicht von Volkszählungsgegnern aus, sondern von staatlichen Stellen, denn die Korrektur der amtlichen Bevölkerungszahl um minus 180.000 Menschen wird den Berliner Haushalt jährlich rund eine halbe Milliarde aus dem Länderfinanzausgleich kosten. Aber nicht nur die amtliche Bevölkerungszahl, sondern auch die Zahl der Wohnungen musste nach der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) deutlich nach unten korrigiert werden.
Daten zur Wohnungsversorgung führen in einen sozialstaatlichen Kernbereich hinein, der auf belastbare Zahlen und Informationen angewiesen ist. Die Beschreibung des Wohnungsmarktes, seiner Leerstandsquoten, der Eigentümer- und Größenstruktur und des energetischen Zustands in Form der vorhandenen Heizungssysteme sind Planungsdaten, die nicht nur politische, sondern auch unmittelbar rechtliche Bedeutung für die Mieten- und Wohnungspolitik haben. Denn zunehmend geht der Bundesgesetzgeber aufgrund der sehr unterschiedlichen Wohnungsmarktentwicklungen dazu über, die Anwendung von Rechtsinstrumenten an eine vorherige Ermächtigung der Länder anzukoppeln, die ihre regionalen Wohnungsmärkte als entspannt oder angespannt deklarieren können. Die Anwendung verschiedener Rechtsinstrumente wie zum Beispiel die im Koalitionsvertrag geplante Begrenzung der Wiedervertragsmieten, der § 5 Wirtschaftsstrafgesetzes und die Zweckentfremdungsverbotverordnung hängen direkt von der Qualifizierung des lokalen Wohnungsmarktes als angespannt oder entspannt ab. Zeitnahe amtliche Zahlen könnten manche ideologischen Gefechte mit interessengebundenen Studien überflüssig machen.
Wie politikrelevant Zahlen zum Wohnungsmarkt sind, hat die wohnungspolitische Debatte in Berlin vor den letzten Abgeordnetenhauswahlen gezeigt. Während die Senatskoalition noch ein gutes halbes Jahr vor den Wahlen den Berliner Wohnungsmarkt wegen des angeblich hohen Leerstands als insgesamt entspannt bezeichnet hatte, argumentierten Mieterorganisationen, Bürgerinitiativen und Immobilienexperten aus der Anschauung und unter Berufung auf die Analyse von Angebotsmieten mit einer gänzlich anderen Situationsbeschreibung. Zu einem Zeitpunkt, als die Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) bereits durchgeführt war, hätten amtliche Zahlen theoretisch helfen können, den wichtigen Zahlenstreit von unabhängiger Seite aus zu versachlichen. Der Zusatz „theoretisch“ ist hier allerdings wesentlich. Zum einen verhindert der zeitliche Abstand zwischen Erhebung und Veröffentlichung eine zeitnahe Versachlichung von Datenstreitereien. Zum anderen ist die politisch interessierte Bewertung oft ein Hinderungsgrund, um Fakten anzuerkennen.
Korrektur der Wohnungszahl
Die Ergebnisse der GWZ haben öffentlich weitaus weniger Beachtung gefunden als die Korrektur der Bevölkerungszahl. Dabei mussten auch die Wohnungszahlen erwartungsgemäß nach unten korrigiert werden, weil die Abgänge von Wohnungen durch Zweckentfremdung, Abbruch oder Zusammenlegung in der Bautätigkeitsstatistik regelmäßig untererfasst werden. Durch eine Vollerhebung unter Eigentümern ergab die GWZ für Berlin 40.000 Wohnungen oder 2,1 Prozent weniger, als bis dahin in der Fortschreibung standen. Was folgt daraus für die Lagebeschreibung am Berliner Wohnungsmarkt? Der Mikrozensus 2012 weist eine durchschnittliche Personenzahl je Haushalt von 1,73 aus. Legt man diesen Durchschnittswert zugrunde und bezieht ihn auf die Zensuskorrektur, so sank die Zahl der Nachfrager rechnerisch um rund 104.000. Das Verhältnis von Bevölkerung und Wohnungen hätte sich nach dieser Berechnung zugunsten der Nachfrageseite etwas entkrampft. Denn die Zahl der Nachfrager musste mehr als doppelt so stark nach unten berichtigt werden wie die Zahl der Wohnungen.
Somit wäre anzunehmen, dass der Leerstand deutlich höher ausfällt als angenommen. Die amtlichen Zahlen zeigen jedoch etwas anderes. Die GWZ ergibt lediglich eine Leerstandsquote von 3,4 Prozent. Dabei sind solche Wohnungen, die vorübergehend wegen Modernisierung leer stehen, bei denen es aber weiterhin einen Mietvertrag gibt, nicht als Leerstand klassifiziert worden. Die Berliner Leerstandsquote liegt um einen Prozentpunkt unter der bundesweiten Leerstandsquote von 4,5 Prozent und nur geringfügig über der sogenannten Fluktuationsreserve, die gebraucht wird, weil es für den Wohnungswechsel befristeter Ressourcen bedarf. Ein Signal für eine Entspannung ist dies umso weniger, als die amtliche Zahl ein Stichtagsleerstand ist, der über die Dauer des Leerstands nichts aussagt.
Rentenpoltik wird Wohnungspolitik
Wenig geändert haben die GWZ-Daten am Bild der Mieterstadt: 85 Prozent der Berliner Wohnungen werden vermietet. Trotz einer intensiven Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist die Quote der Wohnungen, die von den Eigentümern selbst genutzt werden, kaum gestiegen. Diese an sich schon erstaunliche Tatsache ist ein bislang wenig beachtetes Politikum. Denn die intensive Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen hat dazu geführt, dass die Quote der Mietwohnungen, die im Besitz von Eigentümergemeinschaften sind, nun bei 21 Prozent des gesamten Wohnungsbestands liegt. Diese Quote ist ebenso hoch wie die Zahl der Wohnungen, die sich in kommunalem oder genossenschaftlichem Besitz befinden (21 Prozent) und damit im weiteren Sinne zum Gemeinwirtschaftssektor gehören. Selbst wenn man nur die Zahl der vermieteten Wohnungen mit 249.332 Wohnungen zugrunde legt, beträgt die Quote noch 17 Prozent der Mietwohnungen. Der hohe Anteil an vermieteten Eigentumswohnungen bedeutet, dass nur ein geringer Anteil der umgewandelten Wohnungen zur Selbstversorgung ihrer Eigentümer dient. Die Befürworter des starken Trends zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen hatten ursprünglich anders argumentiert: Man benötige diese Eigentumsform vor allem, um Familien ein familiengerechtes Wohnen in der Innenstadt zu ermöglichen und den Wegzug von Haushalten mit Kindern an den Rand zu verhindern.
Wohnen im Strudel globalisierter Geldwirtschaft
Das in Berlin entstandene Vermögen an Eigentumswohnungen dient tatsächlich als Vermögensanlage zur privaten Alterssicherung. Das bedeutet keine ganz unerhebliche Veränderung des Mieter-Eigentümer-Verhältnisses. Den Mietern steht nun eine große Interessengruppe gegenüber, deren Altersversorgung aus Miet-Immobilien besteht. Ein Teil der politischen Auseinandersetzungen um die Altersvorsorge ist damit von der Renten- in die Wohnungspolitik verlagert worden. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, befürchtet, dass die Mieterhöhungsforderungen dieser Eigentümer umso lauter werden wie die Verlässlichkeit auf die allgemeine Rentenversicherung sinkt: „Für die Mieter heißt das dann: weniger Rente bekommen, aber mehr Miete zahlen.“
Eine zweite Verschiebung in der Eigentümerstruktur ist nicht weniger gravierend, weil die globalisierte Finanzwirtschaft auch auf dem Berliner Wohnungsmarkt Spuren hinterlassen hat. Durch den Verkauf kommunaler Wohnungen und die Bewerbung des „unterbewerteten“ deutschen Wohnungsmarkts sind finanzmarktabhängige Investoren auf den Berliner Wohnungsmarkt gelangt, die sich heute in der Kategorie „Privatwirtschaftliches Wohnungsunternehmen“ oder „anderes privatwirtschaftliches Unternehmen“ der GWZ-Befragung befinden. Dieser Eigentümergruppe gehören 30 Prozent der Mietwohnungen.
Diese – oft als neue Investoren – bezeichneten Eigentümertypen haben als Käufer privatisierter ehemals kommunaler und gemeinnütziger Wohnungsbestände eine wichtige Rolle gespielt. Vier Trends haben ihr Vordringen begünstigt. Zum einen hat man versucht, die rückläufigen Einnahmen der hoch verschuldeten öffentlichen Haushalte durch Verkauf des „Tafelsilbers“ zu sanieren. Die eine Form der Abhängigkeit von den Kapitalmärkten – der Schuldenhaushalt – ist um eine weitere Abhängigkeit – die von den Finanzmarktinvestoren – ergänzt worden. Die wachsende Bedeutung der Finanzmarktinvestoren verlief parallel zur Schrumpfung der kommunalen und gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Zweitens sind die finanzmarktgetriebenen Investoren ein Produkt der politischen Ära, in der die Privatisierung vieler Bereiche der Daseinsvorsorge und das Zurückschneiden der staatlichen Wohlfahrt auch in den Programmen linksorientierter Regierungen und Parteien eine hohe Popularität genoss. Drittens sind sie das Ergebnis der Deregulierung der Finanzmärkte und der wachsenden Bedeutung von intransparenten Finanzmarktprodukten, die bei den Immobilienkäufen eingesetzt wurden.
Wozu brauchen wir noch den „Modernisierungsparagrafen“?
Noch zur Zeit der Internationalen Bauausstellung Mitte der 1980er Jahre spielte die behutsame Stadterneuerung als Strategie einer Modernisierung ohne drastische Mietsprünge nach erfolgter Sanierung eine wichtige Rolle. Zeitgemäße Wohnungsausstattungen sollten nicht mehr durch Abriss und Neubau hergestellt werden. Bei den Zählungen im Jahr 1987 in West-Berlin lag der Anteil der sogenannten Substandardwohnungen ohne Innen-WC, ohne Bäder oder ohne beide Ausstattungsmerkmale bei 7,2 Prozent oder 76.664 Wohnungen. In Ost-Berlin wies die Zählung 1995 – also deutlich später – 32.951 solcher Wohnungen oder 5,3 Prozent auf. Heute sind über 100.000 Substandardwohnungen vom Markt verschwunden.
Die ursprüngliche Aufgabe der Stadterneuerung kann also als weitgehend abgeschlossen gelten. Andere Anforderungen wie die energetische Modernisierung und die Sicherung altengerechten Wohnens stehen heute an ihrer Stelle. Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild: „Die GWZ-Ergebnisse unterstreichen eine inzwischen von der Mieterorganisation erhobene Forderung nach Abschaffung des § 559 BGB, der nur auf Baukosten abhebt und keine Anreize für intelligente Energieeinsparungen bietet.“
Über ein anderes Ergebnis der Zählung mag man sich vordergründig freuen. Multipliziert man die Gesamtzahl aller Wohnungen mit der durchschnittlichen Größe von 72,1 Quadratmetern und teilt sie durch die Anzahl der Berliner Einwohner, ergibt der so ermittelte Wert eine Pro-Kopf-Versorgung von 41 Quadratmetern, der sehr deutlich über den bisher angenommenen Zahlen liegt. In diesem Indikator der Pro-Kopf-Versorgung sind die eigentümergenutzten Wohnungen enthalten.
Die hohe Pro-Kopf-Versorgung ist weniger das Ergebnis von Angebotsstrategien, die auf eine sehr hohe Wohnkaufkraft reagiert haben, als das Ergebnis einer ständig gestiegenen Zahl von Kleinhaushalten mit ein und zwei Personen, die im vorhandenen Angebot unterkommen mussten. In Berlin spielen bei der Erklärung der hohen Pro-Kopf-Fläche die eigentümergenutzten Wohnungen (15 Prozent) eine untergeordnete Rolle. Anders ist dies im Bundesdurchschnitt, wo mittlerweile die Durchschnittsfläche je Wohnung bei 90,1 Quadratmetern liegt. Dort spielt der eigentümergenutzte Anteil von 42,4 Prozent eine bedeutende Rolle, weil die eigentümergenutzten Wohnungen im Schnitt deutlich größer sind als Mietwohnungen. Über das höhere Wohlstandsniveau mögen sich die mit Wohnraum Versorgten freuen, die zum Umzug gezwungenen Neu- und Erstnachfrager haben davon wenig.
Armin Hentschel
Amtliche Befragungen sind nicht beliebt in Deutschland. Bei der Volkszählung im Jahr 1987 gab es massive Proteste gegen die „Aushorchung der Bürger durch einen technokratischen Staat“. Das Wort vom „gläsernen Bürger“ machte die Runde. „Zehn Minuten, die Sie noch bereuen werden“, hieß es. 2011 spielten solche Proteste eine auffällig geringe Rolle, was nicht nur daran lag, dass diesmal nicht alle Bürger, sondern nur eine Stichprobenauswahl befragt wurde. Lediglich eine kleine Protestgruppe sieht, wie die Schriftstellerin Juli Zeh im Kampf um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine der großen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts. Selbst Zeh räumte jedoch ein, dass ihre „revolutionäre Energie“ nicht ausreiche, um neben der privaten Verweigerung und medienöffentlichen Protesten einen Massenboykott zu organisieren.
Daten für wen und wofür
Kritik und Unbehagen sind im Umfeld der NSA-Affäre mehr als nachvollziehbar. Die Frage ist, ob die bisweilen sehr pauschale Front gegen das Datensammeln berechtigt ist. Tatsächlich bringt der digitale Informationsaustausch ein unvorstellbares Ausmaß unkontrollierter wenn nicht gar unkontrollierbarer privater Datenströme in Umlauf, in denen tagtäglich von unautorisierten und unerkannten Dritten gesammelt, ausgewertet und geforscht wird, was das Zeug hält. Die Praktiken reichen von der kommerziellen bis zur geheimdienstlichen Ausspähung. Gegen diese Wildwuchspraxis kommt der datenschutzrechtlich überfrachtete Zensus allerdings wie eine öffentlich überwachte Spielwiese daher.
Nicht nur deshalb wird die pauschale Kritik am Datensammeln den verschiedenen Wegen, Regeln und Verwendungszwecken nicht gerecht. Die „Staatsbeschreibung“, aus der die Statistik ihre Begrifflichkeit nimmt, soll gesellschaftliche Realität offenlegen, um jene Aufgaben zu erfüllen, die die Bürger ihrem Rechts- und Sozialstaat abverlangen. Und warum sollte die viel beschworene Wissensgesellschaft für sich selbst – die Gesellschaft – ein Analyse- und Transparenzverbot verhängen? Es ist schon nötig, sich Sinn und Zweck von Datenpools im Einzelfall anzuschauen.
Im Falle der Datenauswertung durch Geheimdienste handelt es sich um Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, über deren Ausmaß und Praxis auch große Teile der staatlichen Kontrollbehörden den Überblick verloren haben. Wie und wofür sie genutzt werden, wissen nur sehr wenige. Die Experten für innere und äußere Sicherheit gehören dazu. Der Appell von dieser Seite lautet: Wenn ihr wollt, dass wir Eure Sicherheit gegen Terrorismus und sonstige Kriminalität schützen, müsst ihr die Aushorchung hinnehmen. Die sicherheitspolitischen Zwecke heiligen ihnen fast jede Verletzung der Privatsphäre. Aber selbst beinharte Ordnungshüter tun sich schwer mit der Begründung „Beobachtung von Risikogruppen“ für präventive Lauschangriffe, nachdem rassistische Terroristen, die unter Beobachtung standen, ungehindert Morde vorbereiten und verüben konnten. Bei Zensus und GWZ sind Mittel und Ziele völlig andere. Es gelten strikte Anonymisierungsregeln und die Auswertung der Ergebnisse unterliegt der Pflicht zur Veröffentlichung. Allerdings ist es den amtlichen Statistikern bislang nicht gelungen, den positiven Sinn und Zweck ihres Tuns hinreichend zu verdeutlichen. Nicht zuletzt sind es ja staatliche Stellen, die zur Sinnbeschädigung des amtlichen Datensammelns beitragen.
Der Berliner Senat und andere Städte haben deshalb gegen den Zensus Widerspruch eingelegt, weil ihnen die Ergebnisse nicht passten. Welche rechtlichen Konsequenzen daraus folgen, ist derzeit noch unklar. Begründet hatte der Berliner Senatskanzleichef Björn Böhning den Widerspruch damit, dass die im Zensus 2011 ermittelte Einwohnerzahl deutliche Diskrepanzen zu den Melderegistern aufweise – eine ziemlich hilflose Begründung, denn der Zensus wäre überflüssig gewesen, wenn die Melderegister gestimmt hätten. Die Korrektur war denn auch alles andere als überraschend und wurde vorher angekündigt. In einem Zensus-Test wurde schon 2004 ermittelt, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland um schätzungsweise 1,3 Millionen nach unten korrigiert werden muss. Tatsächlich waren es 1,5 Millionen. Die Abweichungen verteilen sich allerdings sehr ungleich über die Republik. Während es in Rheinland Pfalz, das über ein zentrales Melderegister verfügt, fast eine Punktlandung gab, liegt die auf Registerbasis fortgeschriebene Bevölkerungszahl in Berlin um 180.000 Menschen höher als der Zensus.
Was waren die Gründe für die Korrektur? Zum Stichtag hatten knapp 6,2 Millionen Menschen einen ausländischen Pass, das sind 7,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bis dahin waren die Experten von 7,3 Millionen Ausländern ausgegangen. Allein in Berlin hatte die Statistik 106.000 Ausländer mehr ausgewiesen, als sich in der Stadt befanden. Viele melden sich beim Zuzug an, unterlassen aber eine Abmeldung beim Wegzug. Das erklärt auch die hohen Abweichungen in den Großstädten, wo der Anteil ausländischer Bevölkerung besonders hoch ist. Hinzu kommen Abweichungen, die überall dort hoch sind, wo die Dynamik der Zu- und Abwanderung besonders stark ist.
Wenn der Schuh nicht passt …
Die Reaktion auf das Ergebnis ist wegen seiner fiskalischen Konsequenzen nachvollziehbar. Lohnenswerter ist die Diskussion über die Frage, ob man den Zensus wirklich braucht und wenn ja, wofür? Die Antworten aus dem Expertenkreis der Statistiker sind differenziert und werden Nichtfachleute überraschen. Bei einer Veranstaltung des Berliner Amts für Statistik stellte der Leiter der Zensus-Kommission Gert Wagner fest, er könne nicht erkennen, wo und wie man den Zensus für Planungszwecke benötige. Schon die zeitliche Verzögerung um zwei Jahre, mit der die ersten Ergebnisse verfügbar sind, stelle die Zahlen als Planungsgrundlage in Frage. „Ein Mikrozensus in der Größenordnung von 2,5 Prozent könnte besser sein als die Vollerhebung.“ Ähnlich die Kritik des Leiters der Abteilung Bevölkerung und Regionalstatistik im Berliner Amt für Statistik (AfS), Peter Lohauß. Er fordert eine deutlich intensivere Pflege und Kontrolle der Melderegisterdaten. Wenn das Melderegister präziser wäre, könnte man auf die Volkszählung im traditionellen Sinne verzichten. Den Zensus habe man ja deshalb machen müssen, weil die Melderegister unzuverlässig seien. Für die Gebäude- und Wohnungszählung hält er den Aufbau eines fortgeschriebenen Gebäude- und Wohnungsregisters für sinnvoll und notwendig – eine Anregung, die vom Berliner Mieterverein begrüßt wird. Dessen Geschäftsführer Reiner Wild: „Wir könnten uns viel Aufwand und manche Kosten ersparen, wenn amtliche Zahlen zum Wohnungsmarkt aktueller und problemorientierter vorlägen.“ Dies sei vor allem deswegen notwendig, weil der Gesetzgeber die Anwendbarkeit von Mieterschutzregelungen zunehmend von der örtlichen Wohnungsmarktlage abhängig macht.
ah
MieterMagazin 3/14
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Die Broschüre „Erste Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszählung“ kann bei allen Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder oder im Internet unter
www.statistikportal.de
für 6 Euro bestellt werden.
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Mittlerweile werden Daten nicht nur erfasst, sondern auch global ausgespäht
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28.05.2018