Was passieren kann, wenn ein Haus aus privatem Familienbesitz in unseriöse Hände gerät, zeigt der Fall Grunewaldstraße 87 in Schöneberg. Der neue Eigentümer quartierte in die leer stehenden Wohnungen südosteuropäische Wanderarbeiter ein – allerdings nicht aus sozialem Engagement.
„Ein solches Haus habe ich in den vergangenen 30 Jahren nicht gesehen“, sagt Rechtsanwalt Christoph Müller, an den sich einige Mieter hilfesuchend gewandt hatten. Mitten in Schöneberg sieht es aus wie in einem Slum: eingeschlagene Treppenhausfenster, Müllberge im Hof und zerschlissene Matratzen im Eingangsbereich.
Der Spuk begann Anfang Oktober letzten Jahres, als eines Abends plötzlich Leute mit Bettdecken und Matratzen in die leer stehenden Wohnungen im ersten und zweiten Hinterhof zogen. Weil dabei auch Wohnungstüren aufgebrochen wurden, dachten die Mieter zunächst an einen Einbruch. Doch die Neumieter, von denen viele aus Rumänien und Serbien stammen, konnten Mietverträge vorweisen, alle befristet bis zum 31. März 2015. Für die überwiegend mit Kohleöfen und Außenklo ausgestatteten Wohnungen werden fast 12 Euro pro Quadratmeter verlangt. Über eine Mittelsperson werden Schlafplätze tageweise vermietet.
Die Altmieter betonen, dass sie keine Vorurteile hätten, viele von ihnen sind selber in den 1970er Jahren als Arbeitsmigranten nach Deutschland gekommen. Doch die Zustände seien unerträglich. Da werden Müll und Fäkalien aus dem Fenster entsorgt und Möbel ohne Vorwarnung vom Dachboden in den Hof geworfen. Aus einigen Wohnungen führen Kabel zu den Stromkästen im Treppenhaus, offensichtlich wird hier Strom „abgezapft“. Bei einem der noch verbliebenen Altmieter im Hinterhaus wurde die Wohnungstür eingetreten. Wer sich beschwert oder gar die Polizei ruft, wird bedroht. Bei der Polizei gibt es mittlerweile eine eigene Ermittlungseinheit für das Haus. Die „G 87 Grundbesitz GmbH“, seit dem Jahre 2012 Eigentümerin, antworte nicht auf ihre Anfragen, sagen die Mieter. Und bei der Hausverwaltung sei nie jemand zu erreichen. „Wir werden uns selbst überlassen“, meint ein Bewohner. Viele seien fix und fertig mit den Nerven.
Den Bezirksbehörden sind die Zustände bekannt. Man sei im Gespräch mit dem Eigentümer und führe fast wöchentlich Kontrollen durch, sagt Gerrit Reitmeyer, Leiter der Bauaufsicht in Tempelhof-Schöneberg. Die Reparatur der Treppenhausfenster habe man bereits veranlasst. Ansonsten sehe man kaum Möglichkeiten einzugreifen. Es bestehe weder Gefahr für Leib und Leben der Bewohner, noch sei das unter Denkmalschutz stehende Gebäude gefährdet. Eine Zweckentfremdung läge nicht vor, auch die kurzfristigen Mietverträge seien legal. Auf privatrechtliche Regelungen zwischen Mieter und Vermieter habe man keinen Einfluss, auch wenn hier, wie Reitmeyer vermutet, offensichtlich vom Vermieter „die Rechts- und Sprachunkenntnis dieser Mieter für eigene Zwecke in höchst fragwürdiger Weise ausgenutzt wird“.
Was der Eigentümer vorhat, bleibt unklar. Eine Anfrage des MieterMagazin blieb unbeantwortet. Möglicherweise soll das Haus verkauft werden. Einigen Mietern wurden bereits Aufhebungsvereinbarungen angeboten. Der Geschäftsführer der G 87 hat bereits das Haus Knaackstraße, Ecke Kolmarer Straße in Prenzlauer Berg mit rüden Methoden entmietet und in Eigentumswohnungen umgewandelt. „Zu befürchten ist eine Raus-Sanierung – aus dem Haus lässt sich für den Eigentümer etwas Lukratives machen“, meint Rechtsanwalt Müller.
Birgit Leiß
09.04.2016