Die Künstlerkolonie Wilmersdorf sind drei Wohnblöcke, die ab Mitte der 1920er Jahre im Rahmen einer genossenschaftlichen Bebauung zwischen Breitenbachplatz und Laubacher Straße entstanden sind. Finanziert wurde sie durch Künstlerverbände, die für die weniger gut Bemittelten in ihren Reihen soliden und preiswerten Wohnraum schaffen wollten.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse und die mehrheitlich linke Gesinnung ihrer damaligen Bewohner brachte dem Gebäudeensemble die Bezeichnungen „Hungerburg“ und „rote Tintenburg“ ein, aber viele der im Kunstbetrieb bekannten Namen fanden sich nach dem Ende des Nazi-Terrors nicht mehr in der Kolonie. Man schreibt das Jahr 1956, als die Familie Maurenbrecher, Großeltern, Eltern und der Autor, damals ein 6-jähriger Knirps, aus beengten Verhältnissen in eine Viereinhalbzimmerwohnung am Laubenheimer (heute: Ludwig-Barney-) Platz zieht, dem Zentrum der Künstlerkolonie-Wohnhäuser. Zu verdanken ist die Wohnung dem beharrlichen Wirken des kauzigen Großvaters – eine Anekdote, die Maurenbrecher ebenso amüsant schildert, wie sein weiteres Aufwachsen in der neuen Umgebung. Vor dem Leser verknüpft sich die Schilderung der folgenden 15 Jahre zu einer kleinen Bau-, Kultur- und Sozialgeschichte des bürgerlichen West-Berlins in den Aufschwungjahren. Maurenbrecher geizt nicht mit Spott über die Verhältnisse, lässt aber auch viel Sympathie für den Ort und seine Bewohner erkennen. Und so ist es denn auch nur konsequent, dass er 20 Jahre nach seinem Auszug aus dem elterlichen Habitat ins subversive Kreuzberg die Chance ergreift und zurückzieht an den Ort seiner Kindheit – mittlerweile bekannt als Schriftsteller und Liedermacher.
Udo Hildenstab
In der gleichen Verlagsreihe sind weitere Bücher zu Berliner Wohnvierteln und Straßenzügen erschienen:
www.bebraverlag.de
23.02.2017