Der Wohnkomplex zwischen Wedekind-, Marchlewski- und Gubener Straße in Friedrichshain – einst von den DDR-Oberen gebaut, um eine beispielhafte Wohnungsversorgung und moderne Stadtplanung zu demonstrieren – ist seit einigen Jahren ein umkämpftes Rendite-Objekt. Ende 2019 hat sich eine Mieterinitiative gegründet. Bernd Lützeler und Thomas Jorkisch erläutern ihre Arbeit.
MieterMagazin: In Corona-Zeiten eine Initiative aufzubauen, ist vermutlich nicht so einfach …
Thomas Jorkisch: Das ist ein Riesenproblem, gerade weil wir uns erst noch zusammenfinden mussten. Am Anfang konnten wir uns noch regelmäßig in einer Kneipe treffen, im Sommer im Garten. Mittlerweile geht das nur noch per Video, was nicht alle von uns hinkriegen. Es ist auf jeden Fall schwierig, unter diesen Bedingungen den Protest zu organisieren. Erschwerend kommt hinzu, dass es um insgesamt 35 Häuser geht. Die Leute aus den anderen Häusern kennt man teilweise gar nicht.
Bernd Lützeler: Und wir sind hier nicht in Kreuzberg. Einen Großteil der Menschen muss man ein bisschen an die Hand nehmen. Noch gibt es hier eine sehr gemischte Bewohnerschaft, einige sind sogar noch Erstbezieher. Das sind keine Leute, die gleich auf die Barrikaden gehen, wenn umgewandelt wird. Zurzeit haben wir etwa 16 Mitstreiter.
Zu viele Schlupflöcher im Milieuschutz
MieterMagazin: Gab es denn eine Initialzündung zur Gründung Ihrer Initiative?
Thomas Jorkisch: Ende 2006 ging der Gebäudekomplex an die Immobilienverwaltung Taekker. Ab 2012 wurden die Häuser nach und nach in Eigentumswohnungen umgewandelt, was wir aber lange gar nicht mitbekommen haben. Gemerkt hat man aber, dass sich die Nachbarschaft verändert. Sind Leute ausgezogen, stand die Wohnung erst einmal leer. Ende 2019 zogen auch plötzlich immer mehr Menschen in möblierte „Serviced Apartments“ ein. Das war dann der Startschuss zur Gründung unserer Initiative.
Bernd Lützeler: Freiwerdende Wohnungen werden über die Firma Orbis Apartments unter Missachtung des Mietendeckels zu horrenden Preisen möbliert vermietet. Da teilen sich dann vier Studenten aus Indien eine 46 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung, jeder zahlt 350 Euro. Wir versuchen, sie über ihre Rechte aufzuklären. Der Berliner Mieterverein unterstützt uns dabei und hat kürzlich eine Online-Rechtsberatung für die Mieter der möblierten Apartments organisiert.
MieterMagazin: Wie kann das alles sein in einem Milieuschutzgebiet?
Bernd Lützeler: Das ist genau der Punkt, der uns so empört. Milieuschutz und Mietendeckel bieten zu viele Schlupflöcher, um damit wirksam gegen Totalausverkauf und Verdrängung vorzugehen. Zwischen dem Beschluss des Milieuschutzes und seinem Inkrafttreten im August 2016 vergingen fast eineinhalb Jahre – Zeit genug für Taekker, die Umwandlung der Häuser voranzutreiben. Andere Regelungen wie das Zweckentfremdungsverbot werden einfach ignoriert.
MieterMagazin: Was sind Ihre Ziele?
Thomas Jorkisch: Wir wollen die massenhafte Verdrängung der angestammten Bevölkerung verhindern und damit unseren sozial durchmischten Kiez erhalten.
Interview: Birgit Leiß
Vom sozialistischen Vorzeigeobjekt zur exklusiven Eigentumswohnung
Das Wohnquartier Weberwiese hinter der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain wurde 1954 im Stil des sozialistischen Klassizismus erbaut. Bis 1998 waren die knapp 500 Wohnungen im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain. Im Zuge der Privatisierungsvorgaben des Senats wurden sie dann an einen Duisburger Investor verkauft. 2017 gingen die 35 Häuser per Share Deal an die White Tulip GmbH. Ein Teil des Bestandes wird über die Orbis Apartments GmbH möbliert mit befristeten Verträgen vermietet. Gleichzeitig werden diese Wohnungen unter dem Label „54 East“ als Eigentumswohnungen für circa 6000 Euro pro Quadratmeter angeboten.
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Das MieterMagazin stellt an dieser Stelle in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
27.02.2021