In einem schönen Altbau mit Vorgarten in der Lehrter Straße 30 befindet sich der „B-Laden“, seit mehr als 30 Jahren Nachbarschaftsladen und Treffpunkt für Initiativen. Träger ist der 1988 gegründete „Verein für eine billige Prachtstraße“. MieterMagazin-Autorin Birgit Leiß sprach mit Susanne Torka und Jürgen Schwenzel, beide schon dabei, als in den 1980ern eine Betroffenenvertretung die Arbeit im Quartier aufgenommen hat.
MieterMagazin: Was hat es mit dem ausgefallenen Namen auf sich?
Susanne Torka: Das war die Idee von Klara Franke, einer engagierten Nachbarin und der sogenannten Kiezmutter der Lehrter Straße. Sie träumte von einer Lehrter Straße, wie sie vor dem Krieg war, mit 37 Kneipen, aber bezahlbar. Und das ist bis heute unser Motto: Die Innenstadt muss auch für ärmere Menschen bezahlbar bleiben. Wir haben hier mittlerweile horrende Preise, ein 15 Quadratmeter großes Zimmer im „Co-Living-Haus“ kostet 700 Euro!
MieterMagazin: Ich nehme an, Sie beschäftigen sich heute mit ganz anderen Themen als in den 1980ern?
Jürgen Schwenzel: Manche haben überdauert. Zum Beispiel die Verkehrsberuhigung. Wir haben zwölf Jahre gekämpft, bis endlich ein Zebrastreifen eingerichtet wurde. Die Einführung von Tempo 30, die Moabiter Kissen, die Verdichtung des Bustaktes – vor allem für ältere Menschen wichtig – da haben wir überall mitgemischt.
Susanne Torka: Unser Verein ging aus einer Bürgerinitiative gegen Abriss und Leerstand hervor. Später war die Situation anders, da haben wir uns mit den Folgen der Großplanungen beschäftigen müssen.
Jürgen Schwenzel: Im Laufe der Zeit sind viele Projekte und Arbeitsgruppen entstanden. Als beispielsweise 2010 inmitten von Wohnhäusern ein 800-Betten-Hostel aufgemacht hat, gründete sich eine AG Hotel. Auch die Initiative „Wem gehört Moabit“ und der Runde Tisch gegen Gentrifizierung sind aus dem B-Laden hervorgegangen. Uns ist wichtig, dass die Bevölkerung bei allen Planungen, die die Nachbarschaft betreffen, beteiligt wird. Dafür stellen wir unsere Räume zur Verfügung und organisieren Anwohnerveranstaltungen.
MieterMagazin: Was sind Ihre größten Erfolge?
Jürgen Schwenzel: Unser größter Erfolg ist sicherlich, dass es uns so lange gibt. Unsere Arbeit wird geschätzt von der Bewohnerschaft. Auch vom Bezirksamt kommt Anerkennung – okay, manche hassen uns auch (lacht).
Susanne Torka: Ich denke, wir konnten viel Schlimmes verhindern, insbesondere dass bei den Neubauprojekten ausschließlich hochpreisige Wohnungen entstehen. So haben wir immer wieder Druck gemacht, dass beim Neubau der Groth-Gruppe Sozialwohnungen berücksichtigt werden – noch bevor in Berlin das Modell der kooperative Baulandentwicklung eingeführt wurde. Immerhin 158 Sozialwohnungen entstanden – leider in zwei Blöcken konzentriert und nicht gemischt. Ich denke, man kann sagen, dass wir so etwas wie eine soziale Stimme im Kiez sind.
Militär, Verfall und schicke Neubauten
Wohl kaum eine Berliner Straße hat sich so gewandelt wie die Lehrter Straße in Moabit. Im 19. Jahrhundert geprägt von Bahnanlagen und Militärbauten – darunter eine Heeresfleischerei und prachtvolle Offiziershäuser – war sie bis zum Mauerfall „Zonenrandgebiet“. In den 1970er bis frühen 1980er Jahren sollte die Straße der Stadtautobahn weichen, die Mietshäuser wurden dem Verfall preisgegeben. Ende der 1980er Jahre fanden dann vorbereitende Untersuchungen zum Sanierungsgebiet statt. Daraus wurde zwar nichts, doch aus dieser Zeit stammt die Einrichtung einer Betroffenenvertretung mit eigenen Räumlichkeiten in der Lehrter Straße 30, dem B-Laden. Der Eröffnung des Hauptbahnhofs 2006 folgte eine Welle der Großprojekte. Hotels wurden gebaut und die Groth-Gruppe stellte das neue Quartier „Mittenmang“ mit rund 1000 Miet- und Eigentumswohnungen fertig. Nur einen Steinwurf entfernt wurde die Europa-City hochgezogen.
b
Tel. 030 397 52 38
www.lehrter-strasse-berlin.net
E-Mail: b-laden@lehrter-strasse-berlin.net
Das MieterMagazin stellt in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
28.02.2022