Das Zimmer ist nicht billig, aber in der Nähe der Uni. Was der Student nicht ahnt: Die Vermietung soll wohl nur eine profitable Zwischennutzung sein. Die Kündigung, die er ein halbes Jahr später erhält, setzt sich schamlos über das Mietrecht hinweg. Der Vermieter geht offensichtlich davon aus, dass die meist ausländischen Bewohner das Mietrecht nicht kennen und sich deshalb auch nicht wehren.
Als Arne Arens im letzten Sommer nach einer Studentenwohnung in Berlin suchte, hatte er vor allem einen Wunsch: „Der Weg zur Uni sollte kurz sein.“ Und so war er froh, als er schon bald ein sofort verfügbares Zimmer fand: 10 Quadratmeter für 520 Euro insgesamt. Vermietet wurde es von einem Vermietungsportal „NGB Living“. Die Adresse: Kochstraße 17-24, Hinterhof, nahe am Checkpoint Charlie. Vier bis fünf zumeist junge Leute teilten sich hier je eines der acht Apartments. Arne Arens: „Mein Zimmer war kleiner als das auf dem Foto, und manches funktionierte nicht richtig – aber ok. Zur Uni konnte ich zu Fuß gehen.“
Anfang Januar erhielten alle Bewohnerinnen und Bewohner dann unerwartet die Kündigung von „NGB Living“. Über die App der Agentur wurde ihnen kurz und mit der lapidaren Begründung „Eigenbedarf“ mitgeteilt, dass sie bis 31. März ausziehen sollten.
„Einige haben das auch schon getan“, sagt der Student. Außer ihm seien alle anderen entweder ausländische Studierende oder junge ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter: „Die sind fremd in der Stadt und im Land“, so Arne Arens. Sie hätten weder Kenntnisse des deutschen Rechts noch die Mittel und die Energie, sich gegen solche Ungerechtigkeit zu wehren. Der Student wandte sich jedoch an den Berliner Mieterverein (BMV) und erhielt erst einmal die klare Auskunft: Eine Kündigung in dieser Form ist ungesetzlich und damit unwirksam.
„Wieder einmal bringt der angespannte Berliner Wohnungsmarkt ein fragwürdiges Vermietungsmodell hervor“, erklärt Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des BMV. Unter dem Deckmantel des Studentenwohnens würden prekäre Untermietverhältnisse angeboten und dabei schamlos ausgenutzt, dass die Mieterinnen und Mieter mit dem deutschen Mietrecht nicht vertraut sind. Die Hausverwaltung spekuliere offensichtlich darauf, dass alle die schon formal unwirksame Kündigung akzeptierten. Dem Studenten empfahl der Berliner Mieterverein, die Kündigung zu ignorieren und lud alle noch verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner zu einer Mieterversammlung ein, um sie über ihre Rechte zu informieren.
Auf die Anfrage des MieterMagazins an „NGB Living“ nach dem tatsächlichen Grund der Kündigung und der Kündigungspraxis des Anbieters kam bis zum Redaktionsschluss des MieterMagazins keine Antwort. Arne Arens: „Gemunkelt wird, dass sie hier alles abreißen wollen.“
Rosemarie Mieder
28.02.2022