Das Gebäude Jagowstraße 35 ist der Schandfleck dieser Straße in Moabit. Seit Jahren verfällt das Mietshaus. Bewohnerinnen und Bewohner leiden unter den Mängeln. Die privaten Eigentümer interessiert das nicht. Sie nehmen den Verfall hin – oder führen ihn sogar bewusst herbei.
Wasserflecken, Risse an den Hauswänden, Schimmelbildung, Schädlingsbefall – und zu Weihnachten kalte Wohnungen, weil nicht rechtzeitig Heizöl bestellt worden war: Wer in der Moabiter Jagowstraße 35 wohnt, ist seit Jahren dem zunehmenden Verfall des Mietshauses ausgesetzt. Ein Teil der Mieterinnen und Mieter ist mit der Zeit ausgezogen, und obwohl es immer wieder Anfragen wegen der leerstehenden Wohnungen in dem beliebten Kiez gibt, ist keine einzige bisher wieder vermietet worden.
„Inzwischen sind wir der Schandfleck in dieser schönen Wohnstraße“, erklärt eine Bewohnerin resigniert. Gemeinsam mit den anderen, die in dem Gründerzeithaus ausharren, hat sie sich in einem freundlichen Brief an die beiden privaten Eigentümer der Immobilie gewandt: „Wir würden uns freuen, wenn das Haus unter Ihrer Führung eine positive Zukunft hätte.“ Es solle die unterstützende Mietergemeinschaft erhalten bleiben, die sich in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten im Haus gebildet hat, das freundliche Nebeneinander von Menschen unterschiedlicher Generationen und nationaler Herkunft – im Haus leben Menschen aus acht verschiedenen Ländern. „Alle zusammen sind wir ein gewachsenes Stück Berlin, das bewahrt werden sollte“, erklärt die Mieterin, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Auf den Brief vom November letzten Jahres, in dem die Hausbewohner auch Vorschläge für eine mögliche Sanierung gemacht haben, kam bis heute keine Antwort. So wie auch das Bauamt nicht reagierte, dem sie die immer gravierenderen Mängel anzeigten.
„Wir fühlen uns als Mieter nicht ernst genommen“, erklärt die Anwohnerin und verweist auf die neue Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, die sich als Anwältin bestehender Häuser sieht und gegen einen übereilten Abriss positioniert – jenen Abriss, auf den mit fortlaufendem Verfall in der Jagowstraße 35 möglicherweise regelrecht hingearbeitet wird.
Rosemarie Mieder
28.02.2022