Das Logo auf ihrer Arbeitskleidung ist irreführend, denn Hausmeister:innen, Concierges und Putzkräfte gehören längst nicht mehr zum Mutterkonzern. Sie leisten ganze Arbeit – und sind Angestellte zweiter Klasse. Mit weniger Geld und ohne Zugang zu Sozialleistungen. Was ihr Arbeitgeber, das städtische Wohnungsunternehmen Degewo, mit einer Steigerung der Arbeitseffektivität begründet, nennt die Gewerkschaft Tarifflucht.
Zähe Tarifverhandlungen über Monate und sieben Streiks haben die Männer und Frauen hinter sich, die an diesem Februarabend mit der Gewerkschaft ver.di zusammensitzen. Sie alle arbeiten für Berlins größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo: Sie erbringen Hausmeister:innenleistungen und führen Kleinreparaturen aus, machen sauber, pflegen Grünanlagen, stehen hinter dem Concierge-Tresen oder versehen den Winterdienst. Auf dem Rücken der grünen Jacken, die viele im Raum tragen, prangt das Logo des kommunalen Wohnungsbauunternehmens. Doch das ist eine Irreführung – eigentlich müsste dort stehen: „Degewo-Gebäudeservice GmbH“ (dgs). Als Tochterunternehmen wurde die dgs schon vor Jahren vom Mutterkonzern abgespalten und damit vom Tarifsystem des im Unternehmen gültigen Wohnungswirtschaftstarifvertrages abgekoppelt. Die Abspaltung sollte für mehr Arbeitseffizienz und Einsparungen bei den Betriebskosten sorgen. Die Folge für die circa 580 Arbeitnehmer:innen: Die Entgelte beim Degewo-Gebäudeservice, so stellt ver.di fest, liegen bis zu 28 Prozent unter dem Entgelttarifvertrag in der Wohnungswirtschaft. Außerdem profitieren dgs-Mitarbeiter:innen nicht von den vielen Sozialleistungen, die die Muttergesellschaft ihren Angestellten bietet: familienfreundliche flexible Arbeitszeitmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten, Gesundheitsfürsorge.
Fast ein Drittel weniger Lohn
„Mit der deutlich schlechteren Bezahlung, die im Grunde nichts anderes als Tarifflucht ist, sind die Betriebskosten jedoch nicht billiger geworden“, sagt Benjamin Roscher. Als Landesfachbereichsleiter bei ver.di beobachtet er seit Jahren, was Outsourcing und Privatisierung sowohl für Mitarbeiter:innen als auch Mieter:innen bedeuten: „Schlechtere Löhne, schlechtere Arbeitsbedingungen, schlechterer Service … “, ist sein Urteil.
„Von den Unternehmensleitungen wird oft argumentiert: Wir können die Löhne nicht anheben, ohne die Mieten zu erhöhen“, sagte BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann vor streikenden Beschäftigten von fletwerk, dem die landeseigene Gewobag 2011 ihr Hausmeisterunternehmen verkaufte. Aber vernünftige Tariflöhne schlügen sich nicht zwangsläufig auf die Mietbelastung nieder. Das beweise die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), die tarifgebunden entlohne und deren kalte Betriebskosten deutlich unter denen der Gewobag liegen.
Ver.di-Vertreter Roscher: „Wir fordern, dass die Kapitaldecke auch für die Kolleg:innen der Servicedienste reichen muss.“ Erst einmal hat deren langer Arbeitskampf eine Einmalzahlung und eine schrittweise Anhebung der Löhne erwirkt.
„Unser Ziel ist es, das Tochterunternehmen in die Muttergesellschaft zurückzuführen“, sagt Roscher. Ein Ziel, für das auch der Senat sich gegenüber seinem städtischen Unternehmen einsetzen muss, wenn er seiner sozialen Verantwortung gerecht werden will.
Rosemarie Mieder
Modell auch bei anderen Unternehmen verbreitet
Die Degewo ist nicht das einzige landeseigene Wohnungsunternehmen, das die sogenannten Facility-Leistungen durch einen ausgelagerten Dienstleister erbringen lässt. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken zum Thema: „Gute Arbeit und faire Löhne bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen“ aus dem November letzten Jahres hervor.
Für die Gesobau arbeitet die Tochtergesellschaft berlinwohnen Hausmeister GmbH mit 97 Mitarbeiter:innen nicht tarifgebunden.
In drei Tochtergesellschaften der Gewobag arbeiten circa 70 Mitarbeiter:innen nicht tarifgebunden, darunter 14 des Facility Managements für den Bestand des Pallasseums.
Über 220 Angestellte für das Wohnungsunternehmen Stadt und Land werden nicht nach Tarif entlohnt.
rm
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-13878.pdf
24.02.2023