„Den Fremden setzt das großartige Getriebe in dieser langen Straßenzeile in Erstaunen und der Wiener fühlt es dort: ‚Hier sind wir Großstadt.‘“, so ein Journalist 1896 über die hell erleuchteten Schaufenster im Erdgeschoss der Zinshäuser in der österreichischen Hauptstadt. Die Kunsthistoriker:innen erzählen ihre gelungenen Geschichten aus dem Nobelpalais, dem bürgerlichen Mietshaus, dem Massenzinshaus.
Im Buch bewegen sie sich kapitelweise von außen nach innen und von unten nach oben: Sogenannte Bettgeher, die ihren Schlafplatz in einer Kleinstwohnung haben, großbürgerliche Damen und ihre Soireen, das Elend in den Dienstbotenwohnungen. Im Schmelztiegel Wien drängten sich Anfang des 19. Jahrhunderts auf einer Fläche von 1,4 Quadratkilometer an die 50.000 Menschen. Die Errichtung des berühmten Wiener Rings und der Wegfall der Stadtmauern waren der Startschuss für den Bauboom der Gründerzeit.
Den Autor:innen gelingen gut lesbare Streifzüge zum Mikrokosmos Zinshaus in den Wiener Stadtbezirken, sie wandern von Trockenböden zu Fotoateliers und machen den formalen Reichtum der Fassaden, Foyers und Stiegenhäuser deutlich, der Wien vom Berliner oder Pariser Stadtbild der Gründerzeit unterscheidet. Ein schöner Schmöker für die trüben Tage mit großartigen Fotografien und Texten.
eska
24.02.2024