In Berlin, Potsdam, Frankfurt am Main, Braunschweig und Dresden wurden zerstörte Schlösser, Kirchen und Altstadtviertel wieder aufgebaut – vermeintlich originalgetreu und ungeachtet der oft hochproblematischen Geschichte der Gebäude. Diese Rekonstruktionen sollen eine „gute alte Zeit“ vor 1918 wiederauferstehen lassen, das Stadtbild heilen und der Nation ihre angeblich verlorene Identität zurückgeben.
Der Architekt Philipp Oswalt blickt hinter die Kulissen und zeigt, mit welchen Absichten die Anstoßgeber Spendengelder aus dubiosen Quellen sammelten, um ihre Wiederaufbauträume auf undemokratischen Wegen wahr werden zu lassen. So lenkt er den Blick auf rechtsradikale Großspender für das Berliner Stadtschloss, dessen Bau im Laufe der Jahre immer rigoroser zu einer fotorealistischen Replik des Zustands von 1918 wurde. Sehr detailliert beschreibt Oswalt auch den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Obwohl diese Kirche ein Zentrum des preußischen Militarismus war und mit dem „Tag von Potsdam“ 1933 ein Symbol für die Machtergreifung der NSDAP wurde, gelang es Propagandisten, den Neuaufbau durchzusetzen. „Unter Nutzung vermeintlich unverfänglicher Begriffe wie ‚Authentizität‘, ‚Schönheit‘ und ‚Stadtreparatur‘ wird eine nationalkonservative Identitätsstiftung betrieben, die nicht selten geschichtsrevisionistische Züge annimmt“, folgert der Autor.
js
24.02.2024