„Sicherlich werden Sie überrascht sein, wenn Sie diese Ausgabe der Mieterzeitung in Händen halten … Dies ist die erste Mieterzeitung, die vom Berliner Mieterverein erstellt wurde.“ So wurde im April 1980 die Erstausgabe made in Berlin kommentiert. „Aktueller, berlinspezifischer, spannender“ und streitbarer sollte sie werden. Der Komparativ bezog sich auf die in Köln hergestellte DMB-Mieterzeitung, die mit ihrem Berlinteil auch in der damaligen Mauerstadt erschien. 25 Jahre und eine Reihe von Umstellungen in Inhalt und Aufmachung sind seitdem ins Land gegangen, ein wichtiges Stück Stadt- und Vereinsgeschichte wurde hier mitgeschrieben.
Seine Streitbarkeit stellte das neue Organ schon beim ersten Erscheinen unter Beweis. Die Umfrage: „Wie wohnen unsere Abgeordneten?“ wurde von den betroffenen Senatoren – darunter Horst Vetter (FDP) – öffentlich als stilloser Eingriff in die Privatsphäre gewertet. Neben solchen Aktionen gegen die Häupter der Berliner Baupolitik sollten die Hauptkampfplätze des neu gewandeten Mieterblattes über viele Folgejahre „Weißer Kreis“, Bauspekulation und Altstadtzerstörung durch Kahlschlagsanierung bleiben. Der Tonfall blieb nicht nur nach außen hart. Als Gegenöffentlichkeit zur „ansonsten gleichförmigen“ (Springer-) Presselandschaft geplant, fiel das Blatt bald hinter die von seiner Redaktion gesetzten Maßstäbe zurück. Die Berliner Mieterzeitung zeige „inhaltlich … ein grausiges Bild der geschundenen Mieter. Eine Greuelstory über die bösen Vermieter und die armen Mieter jagt die andere“ – so das selbstkritische Resümee eines Vorstandsmitglieds.
Kampf den Spekulanten!
Es folgte eine Leserbefragung und bald darauf, im Januar 1982, erschien die Berliner Mieterzeitung mit neuem Namen und neuem Gesicht als „MieterMagazin“. In dieser Ausgabe war neben einem Bericht über Mieterhöhungen im Altbau die Internationale Bauausstellung (IBA) Kernthema. Ihrem Auftrag gemäß sollte die 1979 gegründete IBA die Innenstadt als Wohnort und – so ihr Chef Hardt Waltherr Hämer – die „kaputte Stadt“ in Kreuzberg retten. Schlimmer als Krieg und Mauer hatte die Sanierungspolitik des Berliner Senats und der städtischen Wohnungsunternehmen mit Entmietung und Bewirtschaftung auf Abriss die Kreuzberger Altbaugebiete zugerichtet. „Baumafia, Modernisierungs- und Umwandlungsspekulanten haben mobil gemacht“, ließ die Redaktion des neuen MieterMagazin in ihrer Januar-Ausgabe verlautbaren und daneben keinen Zweifel aufkommen, dass sie den Pressekampf für eine andere Stadterneuerungspolitik kompromisslos aus der Bewohnerperspektive begleiten wollte.
Nicht selten stieß man dabei auf solche wehrhaften Spekulanten, die, wie Dr. Winfried Pohly, das MieterMagazin mit Klagen und Gegendarstellungen überzogen. Mit einer Klage vor dem Landgericht und Streitwerten in Größenordnungen von 200.000 DM reagierte der Spekulant auf Berichte über Brandstiftungen und obskure Wasserschäden, die in Zusammenhang mit der Entmietung seiner Objekte gebracht wurden. Die Auseinandersetzung gipfelte in einem tätlichen Angriff auf den damaligen MieterMagazin-Mitarbeiter Jörg Hartmann, dem Pohly vor einem fluchtartigen Abgang aus dem Gerichtsgebäude noch einen Aktenkoffer übergezogen hatte. Wahrlich hohe Risiken für den baupolitisch investigativen Journalismus Marke MieterMagazin!
Nicht nur in der Stadterneuerung, sondern auch in der Mietenpolitik stritt das Mieterorgan für eine mieterbewegte Erleuchtung der Berliner Baupolitik. Im Frühjahr 1987 – dem Jahr der Bauausstellung und 750-Jahr-Feier – erreichte der Kampf gegen den Weißen Kreis mit der Aktion „Berlin wird helle“ und dem Bürgerbegehren gegen die Aufhebung der Mietpreisbindung ihren Höhepunkt. 5000 Menschen und das MieterMagazin folgten rund um das Schlesische Tor in Kreuzberg einer Aktion mit nächtlichen Dia-Projektionen auf Häuserwände, die gegen Altbauspekulation und Mietpreistreiberei gerichtet waren. Farblich aufgehellt erschien denn auch das MieterMagazin mit seiner Märzausgabe 1987: erstmals mit bunter Titelseite.
Die Zäsur: Der 9. November 1989
Wie viele andere stadtpolitische Ereignisse verblasste die schrittweise Einführung des Weißen Kreises und die Feier des 101-jährigen Bestehens des Berliner Mieterverein hinter der Zäsur jener Revolution, die am 9. November 1989 im Ostteil der Stadt ausbrach und das Gesicht der Republik, seiner von nun an ungeteilten Hauptstadt und die Berichterstattung des MieterMagazin umwälzen sollte. Die Wandlung von der einstigen Insel zum Festland der Seeligen (Titel des MM 1/90) wich jedoch schnell den ernüchterten Impressionen aus dem Alltag des sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenwachsens der beiden Stadthälften. Das „Monopoly Ost“ (MM 4/90) und der Crash-Kurs der „Wiedervereinigung der Wohnungsmärkte“ (MM 9/90) waren schon in den ersten Monaten nach dem Mauerfall in vollem Gange.
Als das MieterMagazin im April 1995 mit neuem Titel-Layout erschien, waren der Zusammenschluss von Ost- und West-Berliner Mieterverein und die Vereinigung der beiden Länder bereits abgeschlossen oder – wie die Vorarbeiten für das Vergleichsmietensystem Ost – in vollem Gange. Das Gedenken an „Die Stunde Null“ (MM 4/95) bei Kriegsende – genau 50 Jahre zuvor – mutet in der Rückschau an wie eine beziehungsreiche Erinnerung an die Vorgeschichte von Teilung und Wiederaufbau. Letzterer hatte in Ost und West Spuren und Wunden hinterlassen, die in der ersten Hälfte der 90er Jahre repariert, geheilt und nun auch im Innenteil der Mieterzeitschrift farbig dokumentiert wurden. Nicht nur Farbigkeit und Layout, auch der Tonfall der Artikel hatte sich über die Jahre geändert. Aus den – in den 80er Jahren häufig durch Ehrenamtliche des Vereins verfassten – aufgeregt-kämpferischen Beiträgen waren in Stil und Inhalt professionelle journalistische Artikel geworden, die nun auch um Korrespondentenberichte aus allen Teilen der Welt ergänzt wurden.
Ein neuer Stil
Locker parlierend sprach auch die Rubrik „Leute“ mit bisweilen privaten Enthüllungen über Prominenz aus der Bauszene die Leserschaft an. Aus dieser Rubrik konnte man in der Maiausgabe 1999 erfahren, dass der spätere Innenminister Otto Schily aus unbekannten Gründen aus dem Mieterverein ausgetreten war. Weit mehr Furore verursachte eine vergnügliche Begebenheit, über die „Leute“ im August 2001 berichtete. Drei Geschäftsführerinnen von DMB-Vereinen – Sibylle Färber (München), Margit Heilmann (Darmstadt) und Petra Schulte (Frankfurt) – hatten die Internetplattform „Frauen im Mieterbund“ (FIM) installiert. Obwohl die Aktion offenkundig nicht so bierernst gemeint war, löste sie im männerdominierten DMB ernsthafte Sorge um eine feministische Offensive im Verband aus.
Trotz dieser vergnüglichen Vorgänge lesen sich die Berichte über die zweite Hälfte der 90er Jahre und die ersten fünf Jahre des neuen Jahrtausends wie ein schmerzlicher Abschied von der Sekt- und Boom-Town-Laune der unmittelbaren Nach-Wende-Ära. Unter dem Titel „Tod in Raten“ war über den schuldendiktierten Ausverkauf der ehemals gemeinnützigen Berliner Wohnungsunternehmen zu berichten (MM 4/2000). Erste Artikel über subventionierte Abrisse in Sachsen-Anhalt (MM 4/2000) deuteten eine Wende am Wohnungsmarkt an. Und es folgte dann tatsächlich auch unter der Überschrift „Letzte Rettung Wohnungsabriss?“ die Nachricht über die Schleifung der ersten Berliner Plattenbauten (MM 3/2001). Die aus Mietersicht angenehme Seite der veränderten Wohnungsmarktsituation deutete sich in der Januar-Nummer 2000 an. Mit der Überschrift „Wie gut ist Ihr Vermieter?“ berichtete das MieterMagazin über eine Untersuchung des Instituts für Soziale Stadtentwicklung (IFSS). Das IFSS hatte die Mieter um eine Bewertung ihrer Vermieter gebeten. Die Ergebnisse nötigten dem Chefredakteur des „Grundeigentum“, Dieter Blümmel, die Kommentierung ab, seine Verbandsmitglieder seien ja doch besser als ihr Ruf.
„… das MieterMagazin berichtete“
Auch wenn es Lichtblicke gab, die baupolitische Chronik des Jahrtausendbeginns stellt sich im Großen und Ganzen als Abbild einer verkaterten Tristesse der reformunwilligen, nostalgietriefenden und hochverschuldeten Republik dar, die auch das Hauptstadtleben prägte. Über die großen Stadtentwicklungsprojekte an der Havel, auf der Stralauer Halbinsel oder in Buch, die noch Mitte der 90er Jahre als betongewordener Sieg gegen Ex-Sozialismus und Wohnungsnot gefeiert wurden, berichtete das MieterMagazin jetzt fast schon in einem Atemzug mit den Großsiedlungen Ost – als Bausünden einer vergangenen Epoche der Großtuerei, mitgetragen durch die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Das Finanzierungssystem des Sozialen Wohnungsbaus, das der Berliner Mieterverein schon Anfang der 80er Jahre als fiskalische Selbststrangulierung des Berliner Landeshaushalts bekämpft hatte, erwies sich nun in voller Deutlichkeit als baupolitischer Rohrkrepierer Nummer eins. Jüngere Artikel darüber zeichnen sich durch eine stattliche Summe von „… das MieterMagazin berichtete“-Anmerkungen aus. BMV-Hauptgeschäftsführer Vetter mag sich heute nicht recht daran erfreuen, dass sich die damals im MieterMagazin beschworenen Szenarien als so zutreffend erwiesen haben. „Die Geschichte hat uns zwar mehr als Recht gegeben, aber das Geld für den Schuldendienst aus der Wohnungsbauförderung fehlt heute trotzdem, um den Stadtumbau und die sozialen Probleme in vielen Stadtgebieten angemessen zu steuern und zu begleiten.“
Recht zu behalten ist nicht die vornehmste Aufgabe von Chronisten, ein Qualitätsmerkmal ist es allemal.
Armin Hentschel
Courage mit Fundament
Seit der Berliner Mieterverein 1980 seine Zeitschrift in eigener Regie herausgegeben hat, ist viel passiert. Die Spannungen mit dem Dachverband, die die Herausgabe mitbeeinflusst haben, sind beigelegt worden und einer engen vertrauensvollen Kooperation gewichen. Wir und unsere Zeitschrift sind professioneller und auch ein wenig ruhiger geworden. Fachlich fundierte Courage im Einsatz für die Mieter ist jedoch die verpflichtende Leitlinie geblieben. Das MieterMagazin mit seinen Mietrechtlichen Mitteilungen hat sich zu einem Organ gemausert, das von Juristen und Fachleuten gelesen, anerkannt und nicht selten auch in der Literatur zitiert wird.
Eine jüngste Befragung hat gezeigt, dass sich die Zeitschrift auch bei den Mitgliedern eines guten Zuspruches erfreut, der im DMB seinesgleichen sucht. Hierfür sei der Redaktion, allen voran Udo Hildenstab und Hermann Behlau, Susanne Nöllgen sowie allen professionellen und ehrenamtlichen Mitarbeitern gedankt. Wenn also noch Wünsche offen bleiben, dann der, dass die Aufbruchstimmung, die vor 25 Jahren im Berliner Mieterverein geherrscht hat, bald auch wieder die Stadt und ihre Baupolitik ergreift.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch und auf ein gutes neues Vierteljahrhundert MieterMagazin.
Edwin Massalsky, Vorsitzender des Berliner Mieterverein
MieterMagazin 4/05
Zeitungsständer mit 25 Jahrgängen MieterMagazin
Foto: Michael Jespersen
„Bild der geschundenen Mieter“: MieterZeitung vom April 1980
Neuer Name, neues Gesicht:
MieterMagazin 1/82
Der erste Vierfarb-Titel:
MieterMagazin 3/87
Die bewegten 80er: Besetzte Häuser prägten einen kämpferischen MieterMagazin-Journalismus
Foto: Helmut Westendorf
Die bewegten 80er: Protest gegen den Filz der Berliner Baumafia prägten einen kämpferischen MieterMagazin-Journalismus
Foto: Michael Hughes
Die bewegten 80er: Aktionen gegen den Weißen Kreis prägten
einen kämpferischen MieterMagazin-Journalismus
Foto: MieterMagazin-Archiv
Prügel musste das MieterMagazin öfter einstecken – selten aber im Wortsinne: Hausbesitzer Pohly …
… zieht MM-Mitarbeiter Jörg Hartmann einen Aktenkoffer über
Fotos: Mieter-Magazin-Archiv
Der Mieterverein feiert den 101. Geburtstag – wenige Tage bevor die Mauer fällt: MieterMagazin 12/89
Neues Titel-Layout und zweite Farbe im Innenteil: MieterMagazin 4/95 mit Titel zum 50. Jahrestag des Kriegsendes
MieterMagazin-Thema der 90er Jahre: Das Zusammenwachsen von Ost und West
Foto: Paul Glaser
MieterMagazin 1+2/01: „Wie gut ist Ihr Vermieter?“: Widerspiegelung einer veränderten Wohnungsmarktsituation
03.08.2013