Jetzt ist es amtlich: Die befürchteten massenhaften Zwangsumzüge infolge von Hartz IV fanden nicht statt. Lediglich 410 Berliner Haushalte mussten im vergangenen Jahr ihre Koffer packen, weil die Wohnung zu teuer war.
Die Senatsverwaltung für Soziales sieht sich angesichts ihrer Zahl bestätigt. „Wir haben immer gesagt, dass es nur in Ausnahmefällen zu Zwangsumzügen kommen wird, andere Behauptungen waren Panikmache“, so Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Insgesamt lagen im Jahr 2006 zwar 17.400 Mieter über den zulässigen Wohnkosten. Weil aber viele von ihnen unter Ausnahmeregelungen fallen, blieben 9871 Hartz-IV-Haushalte übrig, die von Amts wegen aufgefordert wurden, ihre Wohnkosten zu senken. Die meisten erreichten dies durch Untervermietung oder sie tragen nunmehr einen Teil der Miete selbst. Nur in 410 Fällen wurde ein Umzug in eine billigere Wohnung angeordnet. Insgesamt leben in Berlin 574.000 Menschen in 316.786 Haushalten von Arbeitslosengeld II (ALG II).
Der Berliner Mieterverein (BMV) hatte mit einer höheren Zahl von Betroffenen gerechnet. Doch die relativ großzügigen Ausnahmeregelungen, die gegen den Widerstand von Finanzsenator Sarrazin beschlossen wurden, haben das Schlimmste verhindert. „Es ist erfreulich, dass die meisten in ihren Wohnungen bleiben können, zumal mittlerweile fast keine ALG-II-kompatiblen Wohnungen mehr auf dem Markt sind“, meint Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BMV. Das Stadtforschungsinstitut Topos, das vor zwei Jahren aufgrund einer Studie 50.000 Zwangsumzüge prognostizierte, sieht vor allem zwei Gründe für die niedrigeren Zahlen. Zum einen hätten sich viele ALG-II-Empfänger schon während der Übergangszeit eine billigere Wohnung gesucht. Zum anderen wirke sich positiv aus, dass von den Berliner Jobcentern grundsätzlich gegengerechnet wird, ob sich ein Umzug auch wirklich lohnt.
Bedenken meldet die „Kampagne gegen Zwangsumzüge“: Dass etliche nun einen Teil der Miete selber tragen, und sich das Geld vom kargen Regelsatz absparen oder im Bekanntenkreis zusammenleihen, sei der direkte Weg in die Armutsfalle. „Wir rechnen mit einer Zunahme von Wohnungsräumungen wegen Mietschulden“.
Birgit Leiß
MieterMagazin 4/07
Gehartzt und gefedert – aber immerhin nicht aus der Wohnung vertrieben
Foto: Kerstin Zillmer
17.07.2013