Der Streit um das Arbeitslosengeld II (ALG II) nimmt kein Ende. Kaum ist die Berliner Neuregelung zu den Unterkunftskosten in Kraft getreten, macht sich die Justizsenatorin für eine grundsätzliche Gesetzesänderung stark.
Für Empfänger von Arbeitslosengeld II bringt die neue Ausführungsvorschrift (AV) Wohnen Erfreuliches und weniger Erfreuliches. Seit 1. März wird für Einpersonenhaushalte eine Warmmiete von maximal 378 Euro übernommen (vorher: 360 Euro). Die Richtwerte für größere Haushalte sollen dagegen erst nach Erscheinen des neuen Mietspiegels überprüft werden – für den Berliner Mieterverein eine unverständliche Entscheidung, denn die Daten liegen dem Senat bereits vor, auch wenn der Mietspiegel erst im Sommer veröffentlicht wird. Zu begrüßen ist dagegen, dass die neue AV Wohnen die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berücksichtigt. Klargestellt wurde unter anderem, dass Kosten für Schönheitsreparaturen übernommen werden können und dass bei Wohngemeinschaften jeder Person der Richtwert eines Single-Haushalts zusteht. Bei den Betriebskosten wurde zudem ein Moratorium beschlossen. Bis zur Überprüfung der Betriebskosten anhand des neuen Betriebskostenspiegels soll es keine Umzüge nur wegen gestiegener Nebenkosten geben.
Am meisten umstritten war jedoch die Änderung der Einjahresfrist bei der Überprüfung, ob der genutzte Wohnraum „angemessen“ ist. Auf Druck des Bundes und des Rechnungshofs musste Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke) die bundeseinheitliche Regelung übernehmen. Künftig werden die Unterkunftskosten bereits nach sechs Monaten überprüft.
An der gigantischen Klageflut wird die neue AV Wohnen vermutlich wenig ändern. Das Berliner Sozialgericht meldet „Land unter“. Über 60.000 Klagen sind dort seit Einführung von Hartz IV eingegangen, allein im Januar 2009 bekamen die Richter 1700 neue Fälle auf den Tisch. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) fordert daher eine Überarbeitung des „vermurksten“ Gesetzes. „Das Gesetz muss präziser werden, außerdem muss es vereinheitlicht werden, derzeit haben die Kommunen zu viel Spielraum“, erklärt der Sprecher der Justizsenatorin, Daniel Abbou. Weil es an klaren Vorgaben fehlt, werde vor Gericht teilweise um 60 Cent gestritten. Aber auch die Qualität der Arbeit in den Jobcentern müsse sich deutlich verbessern. „Dass 50 Prozent der Klagen Erfolg haben, spricht doch Bände“, so der Sprecher.
Birgit Leiß
MieterMagazin 4/09
Das Berliner Sozialgericht meldet „Land unter“
Foto: Sabine Münch
22.11.2016