Das wesentliche Problem des Berliner Wohnungsmarktes sind die stagnierenden Einkommen auf einem geringen Niveau, so die Autoren des IBB-Wohnungsmarktberichts 2008. Da in diversen nachgefragten Stadtvierteln die Mieten weiter deutlich steigen, kommt es zu Verdrängungsprozessen und höherer Mietbelastung, folgert Reiner Wild, Vizehauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). Der BMV erneuerte die Forderung nach einer Begrenzung von Neuvertragsmieten.
Der im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellte und kürzlich vorgelegte Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) beleuchtet die Entwicklungen und Tendenzen auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Dieser sei gegenwärtig im Großen und Ganzen durch eine moderate Mietenentwicklung gekennzeichnet, sagte Matthias Kämmer, Abteilungsleiter bei der IBB, anlässlich der Vorstellung des Berichts. Allerdings bezog er diese Wertung lediglich auf den Anstieg der Angebotsmieten, den wenig aussagekräftigen amtlichen Mietenindex, der weder modernisierungsbedingte Mieterhöhungen noch Neuabschlussmieten abbildet und den Vergleich mit anderen Großstädten. Da aber die Einkommen in den letzten zehn Jahren im Vergleich zum Bundesgebiet nur unterdurchschnittlich gestiegen und der Mietanstieg deutlich kräftiger ausgefallen ist, habe die Entwicklung „zu einer zunehmenden Wohnkostenbelastung der Haushalte geführt“, so Kämmer.
Eine besondere Belastung sehen die Autoren des IBB-Wohnungsmarktberichts für zahlreiche Wohnviertel innerhalb des S-Bahn-Rings. Denn dorthin erfolge ein Großteil der überregionalen Zuwanderung. Da auf diesen Teilmärkten aber niedrige Durchschnittseinkommen ermittelt wurden, sei fraglich, ob bei den hohen Angebotsmieten und Kaufpreisen die „soziale Mischung auf Dauer erhalten bleibt“, meinte Kämmer. Eine absehbare Verknappung im Teilsegment der preiswerten Wohnungen wertet die IBB als Warnsignal.
Leider ist das Signal bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht angekommen, wie die Pressemitteilung von Senatorin Junge-Reyer (SPD) anlässlich der Veröffentlichung des IBB-Berichts einmal mehr belegt. „Von einer angespannten Marktlage kann in Berlin nicht gesprochen werden“, erklärte Junge-Reyer. Für diese generelle Bewertung lässt die Senatorin die Differenziertheit der Entwicklung „unter den Tisch fallen“, moniert Reiner Wild vom Berliner Mieterverein, obwohl auch sie eine mittlerweile zunehmende Marktanspannung in manchen Gebieten zugebe.
Als Antwort auf die Warnsignale aus dem IBB-Wohnungsmarktbericht empfiehlt Junge-Reyer wie üblich, das Ganze weiter zu beobachten. Das aber ist dem Berliner Mieterverein zu wenig, schließlich würde die Beobachtung des Wohnungsmarktes ja ohnehin durch den jährlichen IBB-Bericht erfolgen. Die Marktanspannung in Teilen der Stadt sei besorgniserregend, erklärte der BMV-Vorsitzende Dr. Franz-Georg Rips. Die wohnungssuchenden Mieter seien den Mietpreisforderungen bei Vertragsabschluss in zahlreichen Bezirken wegen des geringen Angebots schutzlos ausgeliefert. Damit in Berlin gegen Mietpreisüberhöhung wieder vorgegangen werden kann, müsse das Wirtschaftsstrafgesetz vom Bund so geändert werden, dass schon die Ausnutzung eines geringen Angebots von Wohnungen auf Teilmärkten einer Stadt öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Möglichkeiten zur Herabsetzung überhöhter Mieten ermöglicht. Eine derartige Regelung würde auch in Hamburg und in süddeutschen Städten helfen, erklärt Reiner Wild. Dass eine Novelle des Wirtschaftsstrafgesetzes vonnöten ist, zeige sich auch daran, dass es selbst in den Städten mit erheblichem Zuwanderungsdruck und Mietpreisanstieg südlich des Mains kaum angewendet wird.
Mehr Geburten als Sterbefälle
Die dem Wohnungsmarktbericht der IBB hauptsächlich zugrunde liegenden Daten von 2007 beinhalten zur Bevölkerungsentwicklung eine Überraschung. Erstmals seit der Wiedervereinigung Berlins ist ein geringfügiger Geburtenüberschuss gegenüber den Sterbefällen zu verzeichnen. Die Zahl der Geburten stieg um 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und hat auch absolut den höchsten Stand seit Beginn der gemeinsamen Statistik von Ost und West im Jahr 1991 erreicht. Die Zahl der Sterbefälle ist gegenüber 2006 um 2 Prozent zurückgegangen, gegenüber 1997 um 12 Prozent. Das natürliche Bevölkerungswachstum ist also auch bedingt durch den längerfristigen Trend sinkender Sterbefälle.
Von erheblich größerer Bedeutung für die Bevölkerungszahl als der Geburtenüberschuss ist jedoch das Wanderungssaldo. Im Jahre 2007 sind so wenige Berliner ins Umland gezogen wie seit 1993 nicht mehr. Insgesamt verlor Berlin nur 6000 Personen. Das Wanderungssaldo mit den neuen und den alten Bundesländern sowie dem Ausland ist weiterhin positiv, so dass sich insgesamt ein Bevölkerungszuwachs für Berlin ergibt. Das stärkste Bevölkerungswachstum verzeichnen Friedrichshain-Kreuzberg mit 4,7 Prozent wie auch andere Innenstadtbezirke. Die höchsten Verluste wurden in den Stadtrandbezirken verzeichnet.
Die wesentliche Einflussgröße für den Wohnungsmarkt ist jedoch die Zahl der Haushalte. Auch 2007 war deren Zunahme wieder größer als die Zunahme der Bevölkerung – mit einem Plus von circa 10.700 Haushalten aber deutlich geringer als 2006. Die Anzahl der Bevölkerung hat 2007 in etwa das Niveau von 1998 erreicht. Auf diese gleiche Bevölkerungszahl gibt es 2007 aber rund 8 Prozent mehr Haushalte. Im Schnitt zählt ein Haushalt 1,75 Personen, in Hamburg sind es 2,1 Prozent. Prekär ist die Einkommenssituation der Berliner Bevölkerung. Das Pro-Kopf-Einkommen ist bundesweit in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen, in Berlin aber nur um 7,7 Prozent.
Der Neubau siecht
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Wohnungen in Berlin um 2,5 Prozent auf 1.890.000 Wohnungen erhöht. 2007 wurden nur noch 3240 Wohnungen fertiggestellt, was 0,2 Prozent des Gesamtbestandes ausmacht. In Mehrfamilienhäusern mit drei und mehr Wohnungen befinden sich 90 Prozent aller Wohnungen. 42 Prozent aller Wohnungen sind Altbauten, die bis 1948 bezugsfertig wurden. Knapp ein Zehntel des Bestandes wurde in der Nachwendezeit gebaut.
Mit rund 87 Prozent ist der Anteil der Mietwohnungen am gesamten Wohnungsbestand in Berlin im Vergleich zu anderen großen Städten außerordentlich hoch. In München, Hamburg oder Köln liegt die Quote selbstgenutzten Eigentums mit über 20 Prozent deutlich über der Berlins (13 Prozent). Der Anteil an Mietwohnungen ist in Friedrichshain-Kreuzberg (95,3 Prozent), Mitte (95,3 Prozent) und Lichtenberg (94,8 Prozent) besonders hoch, in Steglitz-Zehlendorf (75,6 Prozent) und Reinickendorf (76,1 Prozent) niedrig. Berlin war und ist eine Mieterstadt. Daran wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern, denn die Zahl der Umwandlungen, so heißt es im IBB-Bericht, habe in den letzten zehn Jahren kontinuierlich abgenommen. Die Zahl der neu errichteten Eigenheime spielt im Gesamtbestand keine Rolle. Die einzig nennenswerte Bewegung auf der Angebotsseite könnte nach Auffassung der Wohnungsmarktforscher im Bereich der institutionellen Investoren zu erwarten sein. Ob sich das Geschäftsmodell der neuen Marktakteure in Anbetracht der globalen Finanzkrise als tragfähig erweisen werde, sei abzuwarten.
MM
MieterMagazin 4/09
Einkommens- und Mietenentwicklung driften in Berlin auseinander
Foto: Paul Glaser
Durchschnittliche Kaufkraftpro Einwohnerin Berlin 2008
Quelle: IBB-Wohnungsmarktbericht 2008
Auch der Wohnungsleerstand ist ein wichtiger Indikator des Wohnungsmarktes. Das MieterMagazin wird sich in der Titelgeschichte der nächsten Ausgabe damit befassen.
Der Wohnungsmarktbericht 2008 der IBB ist unter www.ibb.de
bei Service im Downloadcenter zu finden.
08.06.2013