Eine gut aufgestellte Organisation habe er vorgefunden, sagt der neue Bundesdirektor Lukas Siebenkotten über die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Mieterbundes (DMB). Gedanken macht er sich eher über die Mitgliederstruktur: Mehr Jüngere müssten wieder in die DMB-Mitgliedsvereine eintreten. Das MieterMagazin sprach mit Siebenkotten über verbands-, aber auch wohnungspolitische Zielsetzungen.
MieterMagazin: Herr Siebenkotten, Sie haben im vergangenen Herbst das Amt des Bundesdirektors beim Deutschen Mieterbund übernommen. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Siebenkotten: Als Bundesdirektor des Mieterbundes kann ich mich für soziale Belange einsetzen und so meinen Beruf mit meiner inneren Überzeugung verbinden.
MieterMagazin: Nach den ersten Wochen in der Bundesgeschäftsstelle sind Ihnen sicher auch Dinge aufgefallen, die Sie ändern möchten. Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Siebenkotten: Die Bundesgeschäftsstelle ist organisatorisch hervorragend aufgestellt – hier leisten kompetente Leute eine sehr gute Arbeit. Es gibt allerdings einige thematische Aufgaben, denen ich mich besonders widmen möchte. Eine davon betrifft die Frage, wie wir mehr jüngere Leute für die Vereine des Deutschen Mieterbundes gewinnen können.
MieterMagazin: Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Siebenkotten: Wir müssen dem vor allem bei Jüngeren ausgeprägten Bedürfnis nach Online-Angeboten mehr entgegenkommen. Ebenso müssen wir andere Veranstaltungsformen finden als beispielsweise die jetzigen Vereinsversammlungen, die mit ihren Tages- und Geschäftsordnungen für einen neu Hinzukommenden möglicherweise eher abschreckend wirken.
MieterMagazin: Der Deutsche Mietertag hat 2005 eine Zukunftskommission mit der Aufgabe betraut, unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und steigender Konkurrenz bei den Beratungsangeboten neue Wege zu finden. Welche Ergebnisse daraus sind für Sie wichtig?
Siebenkotten: Tatsache ist, dass der DMB beziehungsweise die in ihm vertretenen Vereine die Nummer eins in Sachen Rechtsberatung sind – das gilt sowohl in qualitativer wie quantitativer Hinsicht. Allerdings haben wir festgestellt, dass die Qualität dieses Angebots mancherorts verbesserbar ist. Das gleiche gilt für die Erreichbarkeit. Die ist in den großen Städten hervorragend, nicht aber in vielen kleineren Kommunen und bei kleineren Vereinen.
MieterMagazin: Ist die Organisationsstruktur des Deutschen Mieterbundes für diese Aufgaben noch zeitgemäß?
Siebenkotten: Entscheidend ist die Qualität der Arbeit, nicht die Struktur. Die derzeitige Vereinsstruktur stelle ich nicht in Frage, schon gar nicht zugunsten einer mehr zentralistischen Organisation. Sinnvoll ist jedoch eine größere Kooperation zwischen den einzelnen, insbesondere kleineren Vereinen. Dafür gibt es inzwischen auch gute und funktionierende Beispiele – etwa in Baden-Württemberg. Daneben bieten wir heute schon Telefonberatungen über unsere Hotline und Online-Beratung über den „Mieterbund24“ an.
MieterMagazin: Gibt es neben der Rechtsberatung weitere oder neue Aufgaben, denen sich der DMB und seine Vereine stellen sollten?
Siebenkotten: Eine Aufgabe, der jeder Mieterverein gerecht werden muss, ist die politische Interessenvertretung vor Ort, beispielsweise wenn es um kommunale Wohnungsunternehmen, das Wohnumfeld, die Städtebaupolitik, den Mietspiegel oder ähnliches geht. Es gibt viele Mietervereine, die solche Aufgaben noch sehr viel deutlicher wahrnehmen könnten.
MieterMagazin: Viele DMB-Vereine verzeichnen einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen. Hat die Reform von 2001 ein Mietrecht geschaffen, das für weniger Streit zwischen Mietern und Vermietern sorgt?
Siebenkotten: Im Saldo haben die DMB-Vereine bei ihren Mitgliederzahlen im vergangenen Jahr zugelegt – eine erstaunliche Tatsache, wenn man das mit der Mitgliederentwicklung von anderen sozialen Organisationen, zum Beispiel Gewerkschaften oder Kirchen vergleicht. Doch ist es in der Tat so, dass die Zahlen sich auch bei den DMB-Vereinen sehr unterschiedlich entwickeln. In den großen Städten nehmen sie zu, auf dem Land sind sie rückläufig. Ich denke, dass dies nichts mit der Mietrechtsreform zu tun hat, sondern mit den Wohnverhältnissen: Wo der Nachfrageüberhang groß ist – etwa in einer Stadt wie München – treten die Menschen eher in einen Mieterverein ein, weil dort eben auch „der Schuh mehr drückt“.
MieterMagazin: Also kein Lob des Bundesdirektors für die Mietrechtsreform?
Siebenkotten: Die Mietrechtsreform schätze ich durchaus positiv ein, denn sie hat ganz offensichtlich zu einer Verbesserung des Rechtsfriedens beigetragen. Die Zahl der Mietrechtsprozesse ist beispielsweise in den vergangenen zwei Jahren um zwölf Prozent zurückgegangen.
MieterMagazin: Keine Verbesserungserfordernisse am aktuellen Mietrecht?
Siebenkotten: Handlungsbedarf gibt es zum Beispiel im Bereich des Wärme-Contractings: Wir haben aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterschiedliche Regelungen für Mietverträge, die vor und nach dem 1. April 1989 abgeschlossen wurden. Hier muss eine einheitliche, mieterverträgliche Lösung gefunden werden. Außerdem brauchen wir eine Regelung, die Mietpreisüberhöhungen verhindert.
MieterMagazin: Worüber wird in Deutschland mietrechtlich am meisten gestritten?
Siebenkotten: Man muss bei den Streitpunkten zwischen Beratungs- und Prozesshäufigkeit unterscheiden. Bei den Beratungen liegt das Thema Betriebskosten ganz weit vorn. Die Nummer zwei: Wohnungsmängel. Und das dritthäufigste Streitthema sind Fragen der Vertragsregelung, beispielsweise Schönheitsreparaturen. Bei der Prozessstatistik ist es anders. Offensichtlich gelingt es den Mietervereinen, strittige Sachverhalte bei den Betriebskosten mit den Vermietern zu klären, bevor es zum Prozess kommt. Auf Platz eins in der Prozesshäufigkeit steht das Thema Vertragsverletzungen. Auf Platz zwei findet sich die Kaution und erst dann folgen Streitigkeiten um Betriebskosten.
MieterMagazin: Mietern wird es schwer gemacht, Informationen über Betriebskosten und deren Abrechnung durch den Vermieter einzuholen – beispielsweise hat der Bundesgerichtshof die Einsicht in Vermieterbelege erschwert. Auf der anderen Seite ist auch in der Wohnungswirtschaft die Betriebskostenabrechnung mit viel Aufwand verbunden. Könnte man dieses System nicht vereinfachen, beispielsweise durch Einführung einer Bruttokaltmiete?
Siebenkotten: Vielleicht wäre es dann einfacher, aber nicht unbedingt transparenter. Viele Mieter wollen wissen, wie hoch Grundsteuer oder Hausmeisterkosten sind, die auf ihre Wohnung entfallen. Im Übrigen sind die kalten Betriebskosten weit weniger durch Nutzerverhalten beeinflussbar als die Heizkosten.
MieterMagazin: Ein Thema, das wegen des Klima- und Ressourcenschutzes aktuell ist, ist die energetische Sanierung im Gebäudebestand. Die Kosten dafür trägt in der Regel der Mieter. Könnte man Klimaschutz nicht auch so betreiben, dass er sozialpolitisch tragbar ist?
Siebenkotten: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht nur Mieter und Vermieter angeht. Deshalb sind staatliche Förderprogramme unverzichtbar, um Menschen sozialpolitisch zu stützen, die nicht in der Lage sind, die mit dieser Aufgabe verbundenen höheren Kosten zu tragen. Es gibt beim DMB zurzeit eine Arbeitsgruppe, die Vorschläge dazu erarbeitet.
MieterMagazin: Die Vermieter behaupten, das Mietrecht behindere die energetische Sanierung.
Siebenkotten: Das ist Unsinn. Denkbar ist, dass dort, wo ein Wohnungsüberangebot existiert, die durch die energetische Sanierung entstehenden Kosten nicht auf die Miete umlegbar sind, weil das der Markt nicht hergibt. Doch das ist dann kein durch das Mietrecht entstandenes Problem, sondern ein Marktproblem. Auch das wird allerdings nicht in allzu vielen Regionen auftreten.
MieterMagazin: Letzte Frage: Im Herbst wird ein neuer Bundestag gewählt. Welche Wünsche haben Sie an die künftige Bundesregierung?
Siebenkotten: Neben den bereits angeregten mietrechtlichen und energetischen Verbesserungen sollte die neue Bundesregierung endlich das Recht auf Wohnen in die Verfassung aufnehmen. Außerdem muss eine Lösung gefunden werden, wie man in Ballungszentren und besonders auch in den Universitätsstädten dem Wohnungsbau wieder auf die Beine hilft – nicht wie früher mit Hilfe von Abschreibungsmöglichkeiten nach dem Gießkannenprinzip quer über das gesamte Bundesgebiet, sondern durch eine auf bestimmte Gebiete bezogene effektive und deutliche Förderung.
MieterMagazin: Wir bedanken uns für das Gespräch.
MieterMagazin 4/09
Lukas Siebenkotten im MM-Gespräch
Fotos: Christian Muhrbeck
Das Gespräch führten die MieterMagazin-Redakteure Reiner Wild (rechts) und Udo Hildenstab (links)
Zur Person
Lukas Siebenkotten ist Rechtsanwalt und war von 1995 bis 1999 Bürgermeister in der nordrhein-westfälischen Stadt Willich. Der 51-Jährige ist SPD-Mitglied und auch beim Roten Kreuz ehrenamtlich engagiert. Seit 1. September 2008 ist er Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB). Er löste Dr. Franz-Georg Rips ab, den jetzigen DMB-Präsidenten.
uh
08.06.2013