Am Barbarossaplatz in Schöneberg sollen mehrere Mietshäuser „aus städtebaulichen Gründen“ abgerissen werden. Die Nachkriegsbauten sind keine Schönheiten, doch Hunderte von Kleinverdienern sind dankbar für die bezahlbaren Wohnungen, die zum Teil über Balkon und Grünblick verfügen.
Seit September 2009 werden die Bewohner der Barbarossastraße 59/60 zum Auszug gedrängt, frei werdende Wohnungen werden schon seit einiger Zeit nicht mehr vermietet. Der Baukonzern „Hochtief“ will hier hochwertige Neubauwohnungen errichten. Von den ehemals 107 Mietparteien sind mittlerweile über 80 ausgezogen oder haben Aufhebungsvereinbarungen abgeschlossen.
Der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Bernd Krömer (CDU) erklärte, man wolle den gesamten Platz umgestalten, das Neubauprojekt trage zur Aufwertung des Viertels bei. Derzeit wird ein entsprechender Bebauungsplan aufgestellt. Dass hier preiswerter Wohnraum vernichtet wird, findet der Baustadtrat nicht problematisch: „Das Haus ist stark sanierungsbedürftig, die Mieten würden nicht so niedrig bleiben.“ Außerdem sei ein Sozialplanverfahren vorgesehen, das heißt, den Mietern würden Umzugskosten oder eine Entschädigung gezahlt. Doch die unabhängige Mieterberatungsgesellschaft AG SPAS, die Ersatzwohnraum vermitteln soll, kann kaum etwas anbieten. Für 200 Euro – soviel kosten die kleinen Wohnungen – gibt es selbst in Marzahn oder Wedding keine Unterkunft.
Ein harter Kern von etwa 25 Mietern will sich nicht vertreiben lassen und hat eine Bürgerinitiative gegründet. „Wir kämpfen nicht nur um den Erhalt unserer Wohnungen, sondern auch um die ökologisch wertvolle Grünfläche hinter dem Haus“, erklärt Hanna W.. Das Birkenwäldchen würde durch den Neubau verschwinden.
Eine Abrissgenehmigung bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Mieter ausziehen müssen. Eine Kündigung „aus städtebaulichen Gründen“ sieht das geltende Recht nicht vor – denkbar wäre allenfalls eine Kündigung wegen angemessener wirtschaftlicher Verwertung, erklärt der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins (BMV), Frank Maciejewski: „Dazu müsste der Eigentümer nachweisen, dass eine Bewirtschaftung beziehungsweise Sanierung des bestehenden Gebäudeensemles unzumutbar wäre.“
Unterdessen erfuhren auch die Mieter der Schwäbischen Straße 7a und 7b am gegenüberliegenden Ende des Platzes, dass ihr Doppelwohnhaus abgerissen werden soll. Beim Mieterverein hält man das städtebauliche Argument für wenig schlagkräftig. „Es ist bedauerlich, dass hier auf Kosten preiswerten Wohnraums dem Aufwertungsdruck nachgegeben wird“, meint BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Birgit Leiß
MieterMagazin 4/10
Schlicht, aber preiswert:
Gut 100 Wohnungen sollen am Schöneberger Barbarossaplatz einer Aufwertung des Quartiers geopfert werden
Foto: Birgit Leiß
02.06.2013