Das Stadtplanungsbüro Topos präsentierte unlängst eine Studie über Auswirkungen innerstädtischer Autobahnen auf die Sozialstruktur angrenzender Wohngebiete. Die repräsentativen Untersuchungen in Berlin und Essen zeigen, dass Haushalte umso ärmer sind, je näher sie an der Stadtautobahn wohnen.
Stadtautobahnen sollen den innerstädtischen Verkehr entlasten und entfernte Stadtquartiere schnell miteinander verbinden. Das ist für viele Bürger ein großer Vorteil. Jene aber, die am wenigsten am Verkehr teilnehmen, da sie sich kein Auto leisten können, gehören zu den Verlierern. Denn Stadtautobahnen führen zu einer sozialen Abwertung der angrenzenden Wohngebiete. Das spiegelt sich in erster Linie in den Einkommensverhältnissen der dort Lebenden wieder.
Laut Topos-Studie, die das Wohngebiet entlang der A 100 am Bundesplatz in Berlin unter die Lupe genommen hat, haben Rentner, die an Autobahnen wohnen, niedrigere Renten und Berufstätige weniger Einkommen. Dazu verglich das Planungsbüro die Sozialdaten der Bewohner direkt an der Autobahn („erste Reihe“) mit denen, die weiter dahinter, also in der „zweiten Reihe“ wohnen.
Dabei zeigte sich, dass Haushalte, die unmittelbar an der Autobahn wohnen, etwa 25 Prozent weniger Einkommen haben als jene in der „zweiten Reihe“. Ein Viertel der Haushalte verfügt dort nur über 900 bis 1500 Euro monatlich. Der Anteil der Arbeitslosigkeit ist in der „ersten Reihe“ um 60 Prozent höher.
„Die Ergebnisse der Topos-Studie bestätigen unsere Vermutung, dass von Belastungen des großstädtischen Lebens besonders die Haushalte mit geringerem Einkommen betroffen sind. Ähnliche Probleme wie beim Autobahnlärm stellen wir auch im Umfeld von Start- und Landebahnen der Flughäfen fest“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Er fordert dringend einen besseren Lärmschutz. Dazu zählt er die Bereitstellung öffentlicher Fördermittel für den Fensteraustausch und die Errichtung von Schallschutzwänden. Aber auch an die Ausweitung von Tempobeschränkungen sei zu denken.
Als weitere Auswirkung wurde beobachtet, dass Wohngebäude einen umso schlechteren Erhaltungszustand aufweisen, je näher sie an der Autobahn liegen. Und dabei – auch das geht aus den Untersuchungen hervor – sind die Mieten noch nicht einmal besonders niedrig, sondern entsprechen knapp dem Mietspiegelmittelwert. Das führt dazu, das mit zunehmender Nähe zur Autobahn sich auch der Leerstand erhöht.
Berliner Ergebnisse bestätigt
Parallel dazu untersuchte Topos die Sozialstruktur der Haushalte an Hauptverkehrsstraßen in Prenzlauer Berg und in Moabit. Die Auswertung der Daten zeigt, dass Bewohner, die direkt an den Hauptverkehrsstraßen leben, verglichen mit jenen im gesamten Ortsteil ebenfalls deutlich ärmer sind. So ist das Einkommen gut zehn Prozent geringer, die Arbeitslosenquote liegt um 35 Prozent höher und die Armutsquote ist um gut 45 Prozent höher. Autos besitzen 24 Prozent weniger Menschen als in den dahinter liegenden, weniger verkehrsbelasteten Wohngebieten.
Das Planungsbüro Topos untersuchte in der Studie auch Wohnungen an der Autobahn 40 und an Hauptverkehrsstraßen der Stadt Essen. Die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen bestätigen die Ergebnisse aus Berlin: Stadtautobahnen sowie viel befahrene Verkehrsadern haben einen negativen Einfluss auf die angrenzenden Wohngebiete.
Bettina Karl
MieterMagazin 4/11
Die Nähe einer Autobahn hat auf den Erhaltungszustand der Häuser einen negativen Einfluss
Foto: Christian Muhrbeck
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Stadtstraßen immerhin besser als Autobahnen
Im Vergleichsgebiet Moabit West ist erkennbar, dass die unmittelbar an der Beusselstraße lebende Bevölkerung im Vergleich zum gesamten betrachteten Quartier deutlich ärmer ist. Allerdings sind die negativen Auswirkungen von viel befahrenen Stadtstraßen schwächer als die der Stadtautobahnen. Stadtstraßen haben stets auch eine Reihe von positiven Effekten auf das Leben der Anwohner. Sie sind gleichzeitig ein Ort des sozialen Lebens im Quartier, bieten Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.
bk
03.04.2013