Drei von den Grünen gestellte Sozialstadträte fordern gemeinsam vom Senat eine schnelle Neuregelung der „Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen“, mit der die Wohnkostenübernahme von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern festgelegt wird. Unterstützt werden sie dabei vom Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ) und vom Berliner Mieterverein (BMV).
Sibyll Klotz, Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, sowie ihre Amtskollegen Stephan von Dassel aus Mitte und Bernd Szczepanski aus Neukölln beobachten mit Sorge, dass immer mehr Arbeitslosengeld-II- und Sozialhilfebezieher mit den vom Jobcenter zugestandenen Kosten der Unterkunft ihre Miete nicht mehr zahlen können. Bei jeder dritten Bedarfsgemeinschaft liegen die Wohnkosten über den Richtwerten der AV Wohnen.
Seit 2005 sind die vom Jobcenter übernommenen Warmmieten – mit Ausnahme einer kleinen Anpassung bei Einpersonenhaushalten – nicht mehr erhöht worden. In diesem Zeitraum sind die Mieten laut Mietspiegel um 17 Prozent gestiegen, die Energiepreise sogar um mehr als 50 Prozent.
Gleichzeitig fordern die Jobcenter die Menschen häufiger auf, ihre Wohnkosten zu senken. „Viele erleben das als Schock“, berichtet der BALZ-Vorsitzende Frank Steger. In den innenstädtischen Bereichen sind günstigere Wohnungen kaum zu bekommen. „Die Leute ziehen nach Marzahn oder Spandau, wo sie von ihrem früheren sozialen Umfeld abgeschnitten sind“, berichtet Neuköllns Stadtrat Szczepanski.
Fast 27.000 Bedarfsgemeinschaften, die seit April 2011 eine Aufforderung zur Kostensenkung erhalten haben, sparen sich die nicht vom Amt übernommene Miete geradezu vom Munde ab. „Das sind schlimme Armutstendenzen“, mahnt Steger. „Hier tickt eine soziale Zeitbombe.“
„Wir brauchen dringend eine Erhöhung der Richtwerte“, fordert BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Sein Vorschlag: 450 Euro für einen Einpersonenhaushalt, 490 Euro für zwei Personen, 650 Euro für drei Personen und 740 Euro für vier Personen. Bis zur Neuregelung verlangt Wild vom Senat ein Moratorium: „Die Jobcenter müssen von Kostensenkungsaufforderungen Abstand nehmen.“ Stephan von Dassel ist skeptisch, ob der Senat höhere Wohnkosten übernehmen wird: „Dort spricht man zwar von einer neuen Rechtsverordnung, aber im Haushaltsansatz sind dafür keine zusätzlichen Mittel vorgesehen.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 4/12
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Foto: Sabine Münch
04.01.2017