Berlin ist nach wie vor zu laut. Größte Lärmquelle ist der Straßenverkehr. An mehr als einem Viertel der Berliner Hauptverkehrsstraßen – das sind rund 310 Kilometer – sind Menschen von sehr hohen Lärmbelastungen betroffen. Nachts werden rund 200.000 Anwohner von Lärmpegeln über 60 Dezibel belästigt. Viele Mieter ziehen in ruhigere Gegenden, das soziale Gefüge in besonders lärmexponierten Straßen verändert sich.
Auf der Grundlage eines 2008 verabschiedeten Aktionsplanes zur Lärmminderung wurden in den letzten Jahren in einem Modellversuch die Brandenburgische Straße, die Prinzenallee und die Dudenstraße umgestaltet. Der Autoverkehr wurde auf zwei Fahrspuren in der Fahrbahnmitte gebündelt, Radfahrer erhielten gesonderte Fahrstreifen.
Jetzt sind dort 2 bis 13 Prozent weniger Autos unterwegs. Die Durchschnittsgeschwindigkeit verringerte sich zum Beispiel in der Dudenstraße von 31 auf 26 Stundenkilometer. Zu einem von manchen befürchteten Verkehrschaos ist es nicht gekommen, wahrscheinlich auch, weil sich viele Autofahrer neue Wege gesucht haben – Verkehrseinschränkungen haben oft an anderer Stelle eine Verkehrszunahme zur Folge.
In der Brandenburgischen Straße werden nach dem Umbau 1,2 bis 1,5 Dezibel weniger Lärm gemessen, in der Dudenstraße sind es 1,5 Dezibel, in der Prinzenallee nur 0,8 Dezibel. Insgesamt haben die Maßnahmen also nicht zu einer spürbaren Lärmminderung geführt. In der Dudenstraße äußerten sogar rund 35 Prozent der befragten Anwohner, der Lärm habe zugenommen. Lediglich 20 Prozent waren der Meinung, der Lärmpegel sei gesunken. Zudem sind die Wartezeiten der Fußgänger bei Fahrbahnquerungen gestiegen. Zebrastreifen und Mittelinseln fehlen.
Die drei Teilprojekte kosteten 285.000 Euro. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will Mitte 2013 eine Fortschreibung des Aktionsplanes zur Lärmminderung vorlegen. Der ADAC plädiert für schalldämpfende Fahrbahnbeläge und Grüne Wellen. Vielleicht sollten bei weiteren Projekten auch die Anwohner einbezogen werden – nicht erst nach Abschluss der Maßnahmen.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 4/12
Zwiespältiger Modellversuch: Objektiv weniger Autos und subjektiv doch mehr Lärm?
Foto: Sabine Münch
19.03.2013