Rund 150.000 Berliner Wohnungen können ab 1. Mai 2012 nur noch mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) angemietet werden. Damit werden diese Wohnungen zukünftig wieder an bestimmte Einkommensgrenzen gekoppelt. Ob die Berechtigten sich die Mieten leisten können, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Für 65.000 Sozialwohnungen und 85.000 Belegungsbindungswohnungen wird ab 1. Mai die Belegungsbindung wieder in Kraft gesetzt. Bei Neuanmietungen gilt dann wieder die WBS-Pflicht. Der Senat hatte bisher mit den Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften Kooperationsvereinbarungen für die Belegungsrechtswohnungen im Ostteil der Stadt abgeschlossen, die nicht mehr verlängert werden. Ab 1. Mai 2012 endet damit die bisher geltende Befreiung von der Belegungsbindung. „Damit wird dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Belegungsbindung auf Grund des aktuellen Wohnungsmarktes Rechnung getragen“, sagt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Für die 65.000 Sozialwohnungen, die überwiegend im Westteil Berlins liegen, sind die Belegungsbindungen vom Jahr 1998 an ausgesetzt gewesen, weil der Wohnungsmarkt seinerzeit als entspannt galt. Dass sich die Marktlage inzwischen geändert hat, musste nun auch der Senat erkennen. Ab Mai kann man in eine Sozialwohnung mit Besetzungsrecht nur einziehen, wenn man einen WBS mit Dringlichkeit vorweisen kann.
Ausgenommen bleiben davon nach wie vor rund 35.000 Wohnungen in 16 Großsiedlungen und Sozialwohnungskomplexen mit einer problematischen Sozialstruktur. Der Senat hat diese bis Ende 2013 von der Belegungsbindung freigestellt, weil man den Zuzug von Menschen mit höheren Einkommen nicht verhindern will. So soll eine „Sicherung und Verbesserung des Sozialgefüges“ erreicht und einer Ghettobildung vorgebeugt werden. Ebenfalls nicht betroffen sind die Sozialwohnungen, deren Anschlussförderung gestrichen wurde. Sie sind explizit von der Belegungsbindung befreit worden.
Ausschließlich im Ostteil der Stadt liegen die 85.000 sogenannten Belegungsbindungswohnungen, für die künftig ebenfalls wieder ein WBS benötigt wird. Anders als bei den Sozialwohnungen reicht hier ein WBS ohne Dringlichkeitsvermerk aus. Es handelt sich vor allem um Plattenbau-Wohnungen, die mit staatlicher Hilfe von Altschulden befreit worden sind. Die 1995 verordnete Belegungsbindung ist 2003 ausgesetzt worden. In begründeten Ausnahmefällen können die Vermieter aber durch Ermächtigung der Bezirksämter auch weiterhin Wohnungen von der Belegungsbindung freistellen lassen.
Der Berliner Mieterverein (BMV) hat seit Langem gefordert, dass die Belegungsbindungen wieder genutzt werden, und begrüßt den Schritt des Senats. „Eine Steuerung ist an dieser Stelle vernünftig“, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Ob die Berechtigten sich die Mieten der belegungsgebundenen Wohnungen leisten können, steht aber auf einem anderen Blatt. Das Preisniveau dieser Wohnungen liegt nur noch teilweise unter dem Berliner Durchschnitt.
Kriterien überarbeiten
Einen Wohnberechtigungsschein kann jeder Bürger erhalten, dessen Einkünfte eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Für einen Einpersonenhaushalt liegt diese bei 16.800 Euro im Jahr, zwei Personen dürfen bis zu 25.200 Euro verdienen, bei jedem weiteren Haushaltsmitglied erhöht sich das Limit um 5740 Euro. Die Berliner Einkommensgrenzen liegen um 40 Prozent über den bundeseinheitlich festgesetzten Werten. Damit hat hier auch nach Wiedereinführung der WBS-Pflicht ein deutlich größerer Kreis Zugang zu belegungsgebundenen Wohnungen als im Rest der Republik.
Einen WBS mit Dringlichkeit erhalten Antragsteller, die in unzureichenden Wohnverhältnissen leben oder ihre bisherige Wohnung räumen müssen. „Die Kriterien müssen überarbeitet werden“, sagt Reiner Wild. So sollten auch Bezieher von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung, die vom Amt zum Umzug aufgefordert werden, einen Dringlichkeitsvermerk bekommen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 4/12
Wer ins Märkische Viertel ziehen möchte, braucht dafür ab Mai wieder einen Wohnberechtigungsschein
Foto: Christian Muhrbeck
Ein WBS kann beim Bürgeramt des Bezirks beantragt werden. Download des Antragsformulars unter:
www.stadtentwicklung.berlin.de/
service/formulare/de/wohnen.shtml
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Bezirke fürchten Antragsflut
Die Wohnberechtigungsscheine werden von den bezirklichen Wohnungsämtern auf Antrag ausgestellt. Auf sie kommt in den nächsten Monaten vermutlich eine Antragsflut zu. Da in den vergangenen Jahren der WBS nur noch selten benötigt wurde und deshalb nur wenige Bürger einen beantragten, haben die Bezirke das Personal der Wohnungsämter stark reduziert. Die kommende Antragswelle wird mit den jetzigen Kapazitäten kaum zu bewältigen sein.
js
30.03.2013