In 10 bis 13 Prozent der Berliner Haushalte gibt es mindestens einen Hund. Das ist nicht überdurchschnittlich viel, aber es schafft der Stadt Probleme. Problem Nummer eins ist braun, stinkt und bleibt häufig einfach auf dem Gehweg und in der Baumscheibe zurück. Die Stadt hat zwar ihre Regeln – aber niemanden, der bereit ist, sie durchzusetzen.
Die Rechnung ist einfach, das Ergebnis aber kaum vorstellbar: Etwa 165.000 Hunde in Berlin sorgen Tag für Tag auf Straßen, in Parks, Grünflächen und auf Spielplätzen für 330.000 Hinterlassenschaften. Vor acht Jahren gründete sich deshalb das Projektbüro „Stadt & Hund“: „Wir wollten zeigen, dass Berlin dieses Problem bewältigen kann“, sagt Projektleiter Christof Wüllner. 2003 wurden die ersten Beutelspender aufgestellt. Heute verschwinden gerade mal 15 Prozent der Hundehaufen in den Tüten. Weitere fünf Prozent beseitigt die Stadtreinigung. Der große Rest bleibt einfach in der Gegend liegen. „Andere Städte haben es geschafft, das Problem in den Griff zu bekommen“, sagt Wüllner.
Die österreichische Hauptstadt Wien beispielsweise. Dort ging 1977 eine „Hundekommission“ an den Start. Sie eröffnete ein erstes Hundeklo, richtete Auslaufplätze, aber auch Verbotszonen ein, und ließ an bestimmten Ecken „Dog-Stationen“ mit „Gratissackerln“ und Schaufeln aufstellen. All das kostete Geld, hatte aber – wie in Berlin – keine durchschlagende Wirkung. 2004 formierte sich eine Protestbewegung in der Bevölkerung – allen voran eine Elterninitiative, der es in kürzester Zeit gelang, 160.000 Unterschriften zu sammeln. Sie zwangen die Kommune zur „Aktion saubere Stadt“ – und die kombinierte verschiedene Maßnahmen: 200 zusätzliche Straßenreiniger, 1000 neue Papierkörbe, 2700 Dog-Stationen mit immer neuen blauen Plastiktüten. Dazu schuf ein „Wiener Reinhaltegesetz“ den ordnungsrechtlichen Rahmen und eine Werbe- und Medienkampagne begleitete die gesamte Aktion. Sie wurde ein voller Erfolg: Über 17 Millionen Hundekotbeutel landen seither jedes Jahr in den städtischen Mülleimern und werden entsorgt.
Austausch auf Metropolen-Ebene
Information, Aufklärung, Angebote, aber auch klare Sanktionen und deren Durchsetzung sind zentrale Forderungen, die das Büro „Stadt & Hund“ seit längerem an die Berliner Kommunalpolitik stellt. Um sich Gehör zu verschaffen, hat man gemeinsam mit dem Bezirksamt Mitte im vergangenen Jahr eine Konferenz organisiert („Berlin wird häufchenfrei“) und Vertreter von Kommunen mit erfolgreichen Problemlösungen dazu eingeladen. Die Chefin der städtischen Wiener Abfallwirtschaft, Martina Ableidinger, machte in ihrem Vortrag eins deutlich: Nur ein Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen führt zum Ziel. Gleiches mahnte auch ihr Kollege Donatus Dörig aus dem schweizerischen Luzern an. Die Schweizer überzeugten auch mit ihrer Finanzierung: Die Kommune investiert die kassierte Hundesteuer vollständig in ihre Stadthygiene. Von dem Geld werden Beutelspender unterhalten, neu aufgestellt und regelmäßig befüllt.
Wo kein Wille, da kein Weg …
„Wir haben uns im Vorfeld der Konferenz mit der Stadtreinigung BSR an den Tisch gesetzt – in der Hoffnung, dass wir Problemlösungen gemeinsam angehen können.“ Über das Ergebnis der Beratung ist Wüllner noch immer frustriert. „Die BSR hat klargestellt, dass sie als Kooperationspartner nicht zur Verfügung steht.“ Kein weiterer Handlungsbedarf, geht aus dem Protokoll über das Gespräch vom 27. Mai 2011 hervor, das dem MieterMagazin vorliegt. Wüllner ist empört: „250 Millionen Euro jährlich kostet die Straßenreinigung – und die kriegen die Haufen nicht weg.“
Etwa drei bis vier Millionen Euro jährlich wären nach einer Berechnung von „Stadt & Hund“ notwendig, um das Problem so ernsthaft anzugehen wie in Wien und Luzern. Aber an solch gezieltes und abgestimmtes Vorgehen denkt in der deutschen Hauptstadt offensichtlich niemand. Selbst erfolgreiche bezirkliche Unternehmungen wurden beendet, wie in Friedrichshain-Kreuzberg, dem durch Hundehaufen am stärksten belasteten Bezirk Berlins. Hier lief die Finanzierung der Beutelspender 2011 aus. Die notwendigen, gerade mal 5000 Euro sieht man sich aufzubringen außerstande. „Da sieht es wohl demnächst im Samariterviertel wieder aus wie vor acht Jahren“, resigniert Wüllner. „Den Mittelstreifen der Bänschstraße können Sie dann nicht mehr betreten.“
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 4/12
Nicht die Vierbeiner sind das Problem, sondern uneinsichtige Besitzer und eine tatenlose Verwaltung
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Ordnungsämter überfordert
Wer die Hinterlassenschaften seines Hundes einfach liegen lässt, dem droht ein Bußgeld von 35 Euro. Das Ordnungsamt kassiert allerdings höchst selten ab: Maximal 150 Mal stellte man 2010 im gesamten Stadtgebiet einen „Strafzettel“ aus. Die Argumentation in den Ämtern: Hundehaufen seien nun mal nicht ihren Verursachern zuzuordnen wie Autos ihren Besitzern, außerdem gäbe es zu wenig Personal für regelmäßige Kontrollgänge.
rm
27.11.2016