Es gibt in Deutschland mehr als 1000 Stromanbieter. Verbraucher können für ihre Region im Schnitt aus rund 100 von ihnen wählen. Angesichts dieser Vielzahl sind Tarifrechner im Internet wie
verivox.de oder tarifvergleich.de für viele eine Hilfe: In Sekundenschnelle präsentieren sie einem den günstigsten Tarif. Doch die Portale sind jüngst in die Kritik geraten.
Für mächtig Ärger bei vielen Verbrauchern sorgte kürzlich die Insolvenz des Billigstromanbieters Teldafax, der unter anderem aufgrund von Neukunden-Boni und Vorkassetarifen bei Online-Vergleichsportalen meist weit oben als günstiger Anbieter gelistet war.
Jetzt machte eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Verivox und dem Stromanbieter Flexstrom von sich reden. Dabei ging es um Provisionen, angebliche Manipulationen von Listenplatzierungen und Kundenbeschwerden.
Vor allem diese Vorfälle haben eine Diskussion über Online-Tarifrechner und ihre Unabhängigkeit entfacht. Sie dreht sich in erster Linie um die Tatsache, dass die Vergleichsportale üblicherweise eine Vermittlungsprovision erhalten, wenn Kunden über sie einen neuen Stromliefervertrag abschließen.
Wie die meisten Tarifrechner finanziert auch Verivox sein für Verbraucher kostenloses Serviceangebot neben den Werbeeinnahmen durch eben solche Vermittlungsprovisionen. Vielen Verbrauchern war das lange Zeit nicht bewusst. Mittlerweile informieren die meisten Online-Portale darüber allerdings auf ihren Internetseiten. „Die Provisionen sind auch gar nicht verwerflich, schließlich handelt es sich um eine Dienstleistung“, sagt Thorsten Kasper, Energiereferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Ob sie die Suchergebnisse beeinflussen, vermag Kasper nicht zu sagen.
Verivox betont, dass die Provisionen keinen Einfluss auf die Reihenfolge der Angebote im Tarifrechner haben. Dieser arbeite nach rein mathematischen Kriterien, führe also den günstigsten Tarif als erstes auf. Das gelte auch für Tarife von Versorgern, die kein Partner von Verivox seien und bei einem Anbieterwechsel keine Provision zahlten. Tatsächlich landen bei Verivox, Toptarif und Co. auf vorderen Positionen auch Stromversorger, hinter deren Tarif sich kein Button befindet, über den man sich zum Vertragsabschluss durchklicken kann. Über die Höhe der Provision will Verivox keine Angaben machen. Nach Recherchen des Bundes der Energieverbraucher beträgt die Provision pro Vertragsabschluss bis zu 50 Euro. Der VZBV geht von durchschnittlich etwa 30 Euro aus.
Auf die Pferdefüße achten!
Als Problem sehen Verbraucherschützer hingegen, dass viele Online-Portale auch Tarife „mit Pferdefuß“ auf vorderen Plätzen listen: etwa solche mit Vorauskasse oder solche, bei denen die Kunden eine Kaution hinterlegen müssen, die sie im Falle der Insolvenz des Anbieters nicht zurückbekommen – so geschehen beim pleite gegangenen Stromanbieter Teldafax. Auch Paketpreise für eine zuvor festgelegte Abnahmemenge erscheinen im Ranking häufig sehr weit oben. Wer seinen Bedarf dann zu gering einschätzt, zahlt für jede zusätzliche Kilowattstunde kräftig drauf. Verbraucherschützer empfehlen zudem, sich von Neukunden-Boni nicht zu sehr blenden zu lassen. Es sei bereits vorgekommen, dass der Anbieter sie aufgrund von einschränkenden Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorenthalten hat, wenn der Vertrag innerhalb des ersten Jahres gekündigt wurde. Hat der Vertrag eine Laufzeit von zwei Jahren und wird der Bonus nur in den Preis des ersten Jahres eingerechnet, steigt im zweiten Jahr der Preis und der Vergleich mit anderen Tarifen wird verzerrt. Deshalb fordert der VZBV schon seit vielen Jahren von den Tarifrechnern, ihre Voreinstellungen zu ändern: Die Verbraucher müssten vor der Suche entscheiden können, welche Tarifoptionen sie einbeziehen beziehungsweise ausschließen möchten. „Zumindest die großen Tarifrechner scheinen sich mittlerweile in diese Richtung zu bewegen“, so Kasper.
Kristina Simons
MieterMagazin 4/12
Für den Verbraucher ist es nicht einfach, den für ihn günstigsten Stromanbieter zu finden
Foto: P. Stumpf
Rat und Tat
So vergleichen Sie richtig
Nutzen Sie zwei bis drei Tarifrechner und achten Sie auf jeweils gleiche Voreinstellungen. Tarife mit Vorauskasse, Kaution und Neukundenbonus sollten Sie lieber ausschließen. Bei echtem Ökostrom ist die Suche übrigens einfacher, denn es gibt überhaupt nur vier unabhängige Anbieter, die zudem mit einem Teil der Stromeinnahmen den Bau neuer Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien finanzieren: Elektrizitätswerke Schönau (EWS), Lichtblick, Naturstrom und Greenpeace Energy.
ks
30.01.2022