Technische Erfindungen können Gebäude überflüssig machen. Waschhäuser, die in den 20er Jahren in den Siedlungen gebaut wurden und als Fortschritt galten, sind mittlerweile funktionslos. Die Einführung der Waschmaschine und vor allem deren Bezahlbarkeit für Otto Normalverbraucher haben die flachen, zentralen Gebäude überflüssig gemacht. Dem Abriss sind die Gemeinschaftseinrichtungen nur entgangen, wenn sie eine neue Aufgabe übernehmen konnten.
In den Mietshäusern um 1900 war das Wäschewaschen eine äußerst beschwerliche Angelegenheit. In beengten Verhältnissen wurde in der Küche das Wasser erhitzt, mit dem anschließend die Wäsche in einer Zinkwanne geschrubbt wurde. Nachdem die Kleidung behelfsmäßig ausgewrungen worden war, kam sie zum Trocknen an Leinen unter der Decke in der sowieso schon dampfgeschwängerten Küche. Die Luftfeuchtigkeit dürfte vor allem im Winter enorm gewesen sein, zumal in der Küche natürlich auch gekocht wurde.
Weil eine hohe Feuchtigkeit nicht nur die Gesundheit, sondern vor allem auch die Bausubstanz gefährdete, wurde das Wäschewaschen und -trocknen in der Wohnung von den Haubesitzern strengstens verboten. Als Alternative gab es oft einen separaten Waschraum im Dachgeschoss, in den im besten Falle gleich ein gemauerter Kohleherd zur Wassererwärmung eingebaut war. Während der Keller der staubigen Kohlelagerung vorbehalten war, konnte ganz oben die große Wäsche erledigt werden. Nebenan auf dem Speicher fand sich zudem genügend Platz zum Trocknen. Allerdings mussten sich die Hausbewohner untereinander absprechen und sich an ihren jeweils festgelegten, oftmals nur monatlichen Waschtag halten. Zwischendurch etwas zu waschen war kaum möglich, was zwangsläufig dazu führte, dass trotz Verbot auch in der Wohnung gewaschen wurde. Die speziellen Waschräume unter dem Dach sind in ihrer Funktion heute allerdings längst vergessen.
Eine Lösung für den immerwährenden Konflikt zwischen Vermietern und Mietern um das Waschen und Wäschetrocknen in der Wohnung zeichnete sich erst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ab. Da auch den Wohnungsreformern und -inspektoren das Waschen in der Wohnung aus Gründen der Hygiene und der Bauerhaltung ein Dorn im Auge war, wurde der Bau von zentralen Waschanlagen favorisiert. Ein Nebeneffekt war, dass im Neubau die Küchen kleiner geplant werden konnten und somit die Baukosten gesenkt wurden.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte es Vorschläge gegeben, gemeinschaftlich oder genossenschaftlich organisierte Wohnergänzungseinrichtungen einzuführen, unter anderem Waschküchen und -häuser. Diese Auslagerung des Wäschewaschens war aber auch gesellschaftspolitisch motiviert. So galten in der sozialistischen Frauenbewegung solche Gemeinschaftseinrichtungen als Errungenschaften, die zu einer künftigen umfassenden Vergesellschaftung der Hausarbeit führen sollten. Auch die bürgerlichen Reformerinnen begrüßten diese Einrichtungen – zumindest als Übergangslösung, bis sich jede Familie moderne Haushaltsgeräte leisten konnte.
Politische Errungenschaft
Als eine der ersten Berliner Wohnanlagen erhielt die Großsiedlung Siemensstadt 1930 ein eigenes Fernheizwerk, das in Kombination mit einem Waschhaus errichtet wurde. So konnte das Wasser direkt an Ort und Stelle erhitzt und ohne großen Energieverlust zum Waschen genutzt werden. In dem schlicht und klar gegliederten Klinkerbau, der von Otto Bartning und Max Mengeringhausen entworfen wurde, gab es eine mit modernsten Maschinen ausgerüstete Siedlungswäscherei, die in der damaligen Presseberichterstattung als „Paradies der großen Wäsche“ bejubelt wurde.
Doch so ganz wollte man den Frauen wohl nicht diese radikale Erneuerung zumuten, die den eingespielten häuslichen Arbeitsalltag umkrempelte. Man hielt in der neuen Siedlung vorsorglich auch am Bewährten fest und plante in den Wohnblöcken im Dachgeschoss wieder Waschküchen und Trockenräume ein. In der zentralen Siedlungswäscherei mussten die Frauen ihre Wäsche zwar auch noch selbst waschen, aber die Architekten hatten sich zahlreiche Gedanken gemacht, wie die Arbeitsabläufe erleichtert werden konnten. So richteten sie in dem Gebäude extra einen Spielraum für Kinder ein, der – ganz im Sinne der Moderne – mit Mies-van-der-Rohe-Freischwinger-Stühlen ausgestattet war. Ein „Waschmeister“ überwachte die strikt vorgegebene Waschzeit. Nach Anschluss der Siedlung an die Fernheizung wurde das Heizwerk stillgelegt und der markante Schornstein abgerissen. Diesem Schicksal entging das Waschgebäude, da die Wohnungsbaugesellschaft GSW dort eine Geschäftsstelle einrichtete.
In der Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg plante Bruno Taut für die Mieter zwei Gemeinschaftswaschanlagen. Die größere war ähnlich modern wie in der Siemensstadt: Im Erdgeschoss befand sich eine große Halle mit Waschmaschinen und kleinen Waschkabinen, in einem zweiten Raum standen Trockenschränke und Wäschemangeln, ein weiterer Raum diente der Anmeldung und Kinderbetreuung. Im darunter liegenden Kellergeschoss war die Heizanlage der Wäscherei mit angegliedertem Kohlenkeller untergebracht. Als die Siedlung 1985 an das Fernwärmenetz angeschlossen wurde, hat man auch hier die alte Heizanlage herausgerissen. In den folgenden Jahren wurde das Haus zwar noch teilweise von der Reinigungsfirma Rewatex genutzt, aber nachdem diese 1992 den Waschbetrieb aufgegeben hatte, stand das Heiz- und Waschhaus leer. Während der Sanierung der Siedlung von 2003 bis 2004 diente es den Baufirmen noch als Materiallager und Pausenraum. Notwendige Reparaturen am Dach und an Fenstern unterblieben aber, der Verfall schritt voran.
Neue Nutzungen für die alten Gebäude
Das Landesdenkmalamt bemühte sich deshalb, einen geeigneten Nutzer für das Gebäude zu finden. Mit finanzieller Unterstützung aus dem Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ wurde schließlich auch das Waschhaus saniert. Das gerettete Gebäude dient heute als Lagerraum des Bauhaus-Archivs. Das zweite, kleinere Waschhaus dient schon länger als schmuckes Vor-Ort-Büro des Eigentümers Deutsche Wohnen.
Auch in den 50er Jahren wurden viele Waschhäuser gebaut, so zum Beispiel im Wohngebiet Falkenberger Straße in Weißensee. Noch bis 1992 wurde das Gebäude von Rewatex als Waschhaus geführt, danach stand es leer. Die Wohnungsgenossenschaft Weißensee, zu der die Siedlung gehört, hatte deshalb die Idee, das kleine Häuschen mit 220 Quadratmetern Fläche zu einer Begegnungsstätte umzubauen. Es wurde ein regelrechtes Erfolgsmodell: Im heutigen „Alten Waschhaus“ in der Falkenberger Straße 172 d treffen sich seit 2004 zahlreiche Freizeit- und Interessengruppen, es ist ein zentraler Anlaufpunkt für die Nachbarschaft geworden.
Jens Sethmann
MieterMagazin 4/14
In Siemensstadt (Foto oben: Goebelstraße) und in der Wohnstadt Carl Legien (Foto unten: Sodtkestraße) entstanden im frühen 20. Jahrhundert die ersten Waschhäuser
Fotos: Sabine Münch
In Weißensee (Falkenberger Straße) wurde aus dem Waschhaus ein Nachbarschaftstreff
Fotos: Sabine Münch
Gelegentlich fand sich auch auf dem Trockenboden unter dem Dach ein gemauerter Herd zum Wassererhitzen
Foto: Jens Sethmann
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Wie der Waschtag seinen Schrecken verlor
„Große Wäsche“ hieß für die Frauen früher auch großer körperlicher Einsatz. Einweichen, Kochen, Schrubben, Spülen, Wringen, zum Trocknen aufhängen – das dauerte nicht selten den ganzen Tag. Erst die Erfindung der elektrischen Waschmaschine, der Schleuder sowie später des Trockners ermöglichte es, die Wäsche quasi „nebenbei“ zu erledigen. Seit den 60er Jahren haben sich platzsparende Geräte verbreitet, die in der Wohnung in Küche oder Bad aufgestellt werden können und jederzeit verfügbar sind. Synthetische Waschmittel, pflegeleichte Textilien und die kleinen Familienhaushalte tragen ihr Übriges dazu bei, dass es statt der „großen“ heute eine Vielzahl an „kleinen Wäschen“ gibt.
js
06.05.2014