Berlins Bevölkerung wächst weiter, die Angebotsmieten lagen im Jahr 2013 bei 8,25 Euro, die bislang eher preiswerteren Wohnquartiere in Neukölln, Wedding und Lichtenberg werden in großen Schritten teurer. Diese Feststellungen des IBB-Wohnungsmarktberichts bestätigen auch andere Marktstudien der letzten Zeit. Die Antwort des Senats – gleichfalls hinlänglich bekannt: bauen, bauen, bauen.
Ein Wanderungsgewinn von 42.000 Personen sorgte auch im Jahr 2013, dem Untersuchungszeitraum, für einen Anstieg der Miet- und Immobilienpreise, so der kürzlich veröffentlichte Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB). Doch es scheint, dass in den Trend-Bezirken die Grenze der Mietzahlungsbereitschaft erreicht ist: Der Anstieg der Mieten verläuft dort gebremst. Dagegen ziehen die Preise jetzt in den bislang eher preiswerteren Kiezen überdurchschnittlich an: Indiz für ein Heer von Wohnungssuchern auf innerstädtischem Ausweich-Kurs.
Auf dem richtigen Kurs wähnt sich derweil Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. Mit 6600 neu gebauten Wohnungen sowie 12.500 Baugenehmigungen im Jahr 2013 sieht er das Senatsziel, mittelfristig 10.000 neue Wohnungen jährlich zu errichten, in Bälde erreicht. Geisel über das Allheilmittel der Berliner Koalitionsregierung: „Wir können den Wohnungsmarkt nur entspannen, wenn wir das Angebot ausweiten – und das heißt Neubau.“ Der Markt soll es richten.
Demgegenüber sieht man beim Berliner Mieterverein (BMV) bislang keinen Effekt durch die steigende Neubautätigkeit für breitere Bevölkerungskreise. Aufgrund der hohen Mieten profitieren nach Beobachtung von BMV-Geschäftsführer Reiner Wild nur die 15 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen vom Neubau. Auch wo der Senator seine langsam an Fahrt gewinnende staatliche Neubauförderung in die Waagschale wirft, hat Wild seine Zweifel: „Die Investoren werden sich wegen der begrenzten Zahlungsfähigkeit der Berliner Mieter alsbald wieder aus dem Neubaugeschehen verabschieden, denn sie haben kein Interesse an den Renditebeschränkungen, die mit einer öffentlichen Förderung des Neubaus zugunsten breiter Bevölkerungsschichten verbunden sein müssen.“
Derweil dämpfen auch die soeben vom „Gutachterausschuss für Grundstückswerte“ veröffentlichten Zahlen eine allzu euphorische Erwartung preiswerter Neubaumieten: Die Umsätze auf dem Berliner Immobilienmarkt sind im Jahr 2014 deutlich zurückgegangen. Bei unbebauten Grundstücken ist die verkaufte Fläche um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Der gleichzeitige Erlösrückgang von nur 11 Prozent bei diesen Verkäufen dokumentiert allerdings einen erheblichen Preisanstieg. Das Gutachtergremium: „Die in den Vorjahren nur vereinzelt in innerstädtischen Lagen zu beobachtenden sehr hohen Kaufpreise bei unbebauten Grundstücken für den Wohnungsbau sind 2014 im gesamten Stadtgebiet zu beobachten.“ Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup aus der Stadtentwicklungsverwaltung hat die Zeichen der Zeit erkannt: „Der starke Anstieg bei den Grundstückspreisen macht deutlich, dass wir uns noch intensiver darum bemühen müssen, im gesamten Stadtgebiet Bauland zu aktivieren.“
Wir lernen: Allheilmittel machen es auch ihren glühenden Anhängern gelegentlich ziemlich schwer.
Udo Hildenstab
25.03.2015